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Bis Sansibar Und Weiter

Titel: Bis Sansibar Und Weiter Kostenlos Bücher Online Lesen
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schüttelte den Kopf.
    »Weißt du, was mit ihr los ist?«, fragte ich weiter.
    Sie legte den Finger auf den Mund. »Erst essen«, sagte sie. »Reden können wir später.«
    »Ach, hör doch auf!«, rief ich. »Mama ist wichtiger als das blöde Essen!«
    Meine Großmutter schaute mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Dann schob sie den Teller zur Seite. »Entschuldige, Marius, du hast Recht«, sagte sie. »Also: Deine Mama ist sehr traurig.«
    »Stell dir vor, das hab ich auch schon mitbekommen!«
    »Sie hat Angst, dass sie DD verliert«, fuhr Oma unbeirrt fort.
    »DD ist tot!«, rief ich. Tränen stiegen mir in die Augen. »Tot, hörst du? Toter geht’s nicht!«
    Meine Großmutter legte mir beide Hände auf den Arm. »Wir beide wissen das. Aber Irene will es auch nach acht Jahren noch nicht glauben. Sie denkt, DD ist irgendwo da draußen – nur in anderer Gestalt.«
    Ich dachte an den Abend, als ich mit dem Baum gesprochen hatte. Jemand hatte mir zugehört, darauf hätte ich schwören können. »Als Gespenst?«, fragte ich.
    Sie nickte und zündete sich ein Zigarillo an. »Vielleicht glaubt sie wirklich, dein Vater lebt als Geist in eurem Garten«, sagte sie. »Jetzt hat sie jedenfalls schreckliche Angst, dass sie DD verliert. Für immer.«
    »Und wir verlieren den Auftrag!«, rief ich und erzählte Oma von Jansen und dem Geschenkpapier für Weihnachten.
    »Die Entwürfe, die ich gesehen habe, sind wirklich nicht besonders«, sagte meine Großmutter.
    »Nicht besonders?« Ich versuchte zu lachen. Es klappte nicht. »Sie sind schlecht! Grausam schlecht!«
    Als ich mich wieder in mein Zimmer verkrochen hatte, fiel mein Blick auf die Tüten, in denen ich die Schnipsel von Mamas ersten Entwürfen aufbewahrte. Die Zeichnungen waren doch gar nicht so übel gewesen! Ich räumte meinen Teppich leer und verteilte die zwölf Schnipselhaufen im Zimmer. Dann machte ich mich an die Arbeit. Solange ich mit großen Papierfetzen arbeitete,war das Zusammensetzen einfach. Aber Mama hatte einige Entwürfe in winzig kleine Schnipsel zerrissen. Die passenden zu finden, war eine Sache für Puzzle-Weltmeister.
    Ich puzzelte und puzzelte. Ich verzichtete sogar aufs Abendessen. Ich gab auch nicht auf, als ich einmal eine geschlagene Viertelstunde nach einem Schnipsel suchen musste. Meine Hartnäckigkeit wurde schließlich belohnt: Gegen neun lagen alle zwölf Entwürfe in ihrer ursprünglichen Form vor mir.
    Stolz rannte ich ins Wohnzimmer und holte Mama und Oma nach oben. Mama steckte den Kopf nur kurz ins Zimmer, verzog das Gesicht zu einem schiefen Lächeln und verschwand wortlos. Aber Oma blieb länger und ging aufmerksam von einem Puzzle zum anderen.
    »Das mit den Dreiecken ist am schönsten«, sagte sie irgendwann. »Das, auf dem sie sich in Weihnachtsmänner verwandeln.«
    Ich nickte. »Es sind alles exakt gleichwinklige Dreiecke. Hätte ich Mama gar nicht zugetraut.«
    »Komisch, dass Irene das Papier nicht mag. – Am besten lässt du die Entwürfe so liegen«, sagte Oma, bevor sie ging. »Könnte ja sein, dass sie ihr morgen gefallen.«
    Morgen? Morgen war der letzte Tag, an dem Mama noch was zeichnen konnte. Am Mittwoch mussten die Entwürfe zur Post, damit Jansen sie am Donnerstag auf dem Tisch liegen hatte.
    Tags darauf unternahmen Oma und ich alles, um Mama aus ihren trüben Gedanken zu reißen. Auf meine Empfehlung hin fuhr meine Großmutter nach dem Frühstück mit ihr in die Stadt, um Schuhe zu kaufen. Hinterher lud sie meine Mutter ins Café ein. Doch was bei Frau Dollhase-Roggenfeld offenbar gut funktionierte, zeigte bei meiner Mutter keine Wirkung. Als sie vom Einkaufen zurückkam, war sie so erschöpft, dass sie sich gleich hinlegen musste. Ein paar Mal erinnerte ich sie noch an die Entwürfe – es nutzte nichts. Da wusste ich endgültig, dass es vorbei war. Ab dem neuen Jahr würde sie sich eine Putzstelle suchen und ich würde Zeitungen austragen müssen. Prost Mahlzeit!
    In meinem Zimmer lagen noch immer die zwölf Puzzles auf dem Teppich. Und die brachten mich auf eine Idee. Ich holte zwei große rechteckige Stücke Pappe aus Mamas Arbeitszimmer. Dann klebte ich den Entwurf mit den dreieckigen Weihnachtsmännern Schnipsel für Schnipsel sorgfältig auf. Damit der Jansen eine Auswahl hatte, befestigte ich einen weiteren Entwurf auf der zweiten Pappe. Er bestand aus den Farben Grün und Rot und darüber schwebten gestrichelte Kerzen. Schließlich setzte ich mich an meinen Computer und schrieb:
    »Sehr geehrter

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