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Bis Sansibar Und Weiter

Titel: Bis Sansibar Und Weiter Kostenlos Bücher Online Lesen
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beweisen, dass ich absolut kein Problem damit hatte, nicht nett zu sein. »Such dir jemand anderen«, sagte ich und stieg aufs Rad.
    Mit einem Satz sprang sie vor mich auf die Straße und hielt den Lenker fest. »Und wen bitte?«
    Ich versuchte, rückwärts zu fahren. Doch sie ließ nicht los. Kraft hatte sie, mein lieber Mann.
    »Keine Chance«, sagte ich.
    »Und wenn ich dir verspreche, immer ganz gut aufzupassen?«
    »Auch dann nicht«, antwortete ich.
    »Und dir nie mehr eine zu scheuern?«, fuhr sie fort. Tränen standen ihr in den Augen. Tränen sind ein echtes Problem, bei Tränen werde ich normalerweise schwach.
    Doch diesmal blieb ich hart. »Such dir jemand anderen«, wiederholte ich. Und: »Lässt du den Lenker los?«
    Sie tat es, blieb aber weiter vor mir stehen.
    »Ist noch was?«, fragte ich. Ich kam mir in diesem Moment ziemlich merkwürdig vor. Einerseits wollte ich unbedingt noch einmal ihre Hand auf meiner Haut spüren. Und gleichzeitig redete ich mit ihr, als ob ich mir nichts sehnlicher wünschte, als sie so schnell wie möglich loszuwerden. Vielleicht war ich ja wirklich verrückt.
    »Könntest du mich vielleicht nach Hause fahren? Natürlich nur, wenn du Zeit hast«, sagte sie. »Dann lasse ich dich auch in Ruhe. Versprochen!«
    Die Entwürfe waren unterwegs, es waren Ferien, Oma kümmerte sich um Mama, es gab niemanden, der auf mich wartete.
    »Was ist mit deinem Fahrrad?«, fragte ich.
    »Kaputt. Das Tretlager«, antwortete sie.
    Ich gab nach. Der Wunsch, mit ihr zusammen zu sein, war zu stark. Sie hängte ihre Notentasche um, setzte sich hinter mich auf den Gepäckträger und legte ihre dünnen Arme um mich. Irgendwann lehnte sie ihren Kopf gegen meinen Rücken. Bestimmt dachte sie sich nichts dabei. Aber bei mir hatte das zur Folge, dass ich nach ein paar hundert Metern aus dem Sattel gehen musste, weil... na ja, weil es in meiner Hose zu eng wurde.
    Als wir bei Linda ankamen, hatten sich die Verhältnisse in meiner Hose so weit beruhigt, dass ich absteigen konnte. Linda schien nichts gemerkt zu haben. Denn sonst hätte sie bestimmt nicht gefragt: »Kommst du mit rein?«
    »Na... ja... «, stotterte ich. Ich spürte, wie das Ding unterhalb des Bauchs wieder zu arbeiten begann. Ich befahl ihm, endlich Ruhe zu geben, doch es hörte nicht auf mich.
    »Oder hast du keine Zeit?«, fragte Linda weiter. »Doch«, antwortete ich.
    »Aber du hast keine Lust!«
    »Stimmt nicht«, widersprach ich und faltete die Hände über meiner Hose. Sah bestimmt total blöd aus. Aber was sollte ich machen?!
     
    Bisher kannte ich nur die Zimmer von ein paar Mädchen aus meiner Klasse. Aber bei Linda sah es anders aus, total anders. Hier hingen keine Poster mit Popstars oderFilmschauspielern an den Wänden. Hier saßen keine Armeen von Bären auf dem Bett. Hier lagen keine Stapel mit Pferdezeitschriften auf dem Boden. Hier standen auch keine Kerzen mit rosa Herzchen drauf herum. Stattdessen gab es ein schmales Bett mit einer bunten Tagesdecke, ein Regal mit einem beeindruckenden Haufen Bücher, ein Glastischchen mit zwei roten Sitzsäcken, einen abgewetzten Schreibtisch mit Computer und ein Klavier, das noch älter zu sein schien als das bei mir zu Hause. Die Wände ringsum waren mit Segelschiff-Bildern beklebt: kleine Segelschiffe und große Segelschiffe, Sportboote und Dreimaster, Plattschiffe mit roten Segeln, wie ich sie aus Holland kannte, und Katamarane. Ich dachte an das Bild im Büro neben dem Badezimmer. In Lindas Familie schienen sie Segelschiffe zu mögen.
    Wer war das eigentlich, ihre Familie? Ihren Vater hatte ich ja schon am Telefon gehabt. Aber was war mit ihrer Mutter? Warum sprach Linda nie von ihr? Warum wurde sie sogar wütend, wenn man nach ihr fragte? Hatte sie vielleicht die Familie verlassen? Oder war sie – gestorben? Genau wie DD?
    Linda zeigte auf die Sitzsäcke. »Setz dich«, sagte sie. Dann verschwand sie und kehrte mit zwei Gläsern Cola zurück.
    »Schön hast du’s hier«, sagte ich.
    Besonders originell war der Satz nicht, ich weiß. Aber mir fiel in diesem Moment einfach nichts Besseres ein. Bis auf ein Treffen mit einer Freundin aus dem Kindergartenwar ich noch nie allein bei einem Mädchen gewesen. Aber da war ich fünf oder sechs gewesen und wusste nicht viel mehr, als dass Martina im Sitzen Pippi machte.
    Linda zuckte mit den Schultern. »Prost«, sagte sie und trank mir zu.
    »Prost«, sagte ich und verschluckte mich. Das musste nun wirklich nicht sein.
    Und jetzt? Wartete

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