Bis Sansibar Und Weiter
Sie hatte mir immer wieder eingeschärft, alle Verträge schriftlich zu machen. Da hat man was in der Hand, wenn es Probleme gibt, sagte sie. »Was ist mit einem Kaufvertrag?«, fragte ich.
Der Kapitän legte die Stirn in Falten. »Traust du mir etwa nicht, Kleiner?«
»D... d... doch«, stotterte ich.
»Na also. Wozu dann so ’n blöden Papierkram?!« Er ließ sich in seinen Sessel fallen und genehmigte sich einen großen Schluck aus der Flasche.
»Wie kriege ich das Boot zu mir nach Hause?«, fragte ich.
»Kein Problem«, antwortete er. »Bring morgen das Geld, dann sehen wir weiter.«
Meine Großmutter war mehr als großzügig. Das hatte bestimmt mit dem neuen Geschenkpapier zu tun. Immerhin brauchte sie sich für die nächste Zeit mal keine Sorgen um uns zu machen. Nachdem ich ihr von der Jacht erzählt hatte, versprach sie mir fünfhundert Euro. Ich brauche schließlich auch was für die Restaurierung des Schiffs, sagte sie.
Später am Abend setzte ich mich ans Telefon und rief Linda an. Ich wollte ihr noch nichts verraten – schließlich sollte die Jacht eine Überraschung werden. Aber ich hatte Lust, ihre Stimme zu hören. Bis in den Abend hinein versuchte ich es immer wieder. Doch niemand meldete sich.
Zwölftes Kapitel
N ormalerweise lässt man einen Jungen in meinem Alter nicht so ohne weiteres siebenhundert Euro von seinem Sparbuch abheben. Aber in unserer Sparkasse kennen sie mich. Sie wissen, dass ich es bin, der bei uns zu Hause die Geldgeschäfte erledigt. Deshalb reichte am nächsten Tag eine handgeschriebene Vollmacht meiner Mutter, damit sie mir das Geld für den Bootskauf auszahlten. Oma war gleich am Morgen zum Bankautomaten gefahren. Ihre Spende in Form von fünf nagelneuen 100-Euro-Scheinen hatte ich schon im Portmonee.
»Ein neuer Computer, Marius?«, fragte der Mann an der Kasse, während er das Geld auf die Theke zählte. Der Mensch heißt Erwin Geldmacher, echt, das steht groß an seinem Schalter. Mit dem Namen kann man nur Bankangestellter werden.
»Nein, ein Segelboot«, antwortete ich und wandte mich zur Tür. Die Uhr an der Säule gegenüber zeigte kurz nach elf. Ich wollte den Kapitän nicht warten lassen. Sonst überlegte er es sich noch anders.
Doch der Bankangestellte hielt mich zurück. »Ein Boot?«, fragte er neugierig. »Ein richtiges Boot?«
»Ja. Es heißt Annemarie.«
Erwin Geldmacher bat eine seiner Kolleginnen, ihn für die nächste Viertelstunde an der Kasse zu vertreten. Dann kam er um den Schalter herum und zog mich zu einem runden Tisch in einer ruhigen Ecke der Sparkasse. Hier hatten wir auch gesessen, als Mama und ich den Bankleuten klar gemacht hatten, dass ich ab jetzt für unsere Finanzen zuständig war. Es hatte eine Weile gedauert, bis sie es akzeptierten. Immerhin war ich damals erst im vierten Schuljahr.
»Setz dich«, sagte der Mann und wies auf einen der beiden schwarzen Sessel. »Ich bin Segler«, begann er. »Schon seit dem Kindergarten, weißt du. Ich bin auf allen Meeren gesegelt. Nirgendwo wird so viel betrogen wie beim Verkauf von Segelschiffen. Was ist es eigentlich für ein Boot?«
Ich dachte an das, was mir der Kapitän gesagt hatte. »Eine Jacht.«
»Aha«, murmelte der Sparkassenangestellte. »Und das Schiff soll nur siebenhundert Euro kosten?«
»Tausend«, unterbrach ich ihn. »Der Kapitän will tausend.«
»Sagtest du Kapitän? Meinst du etwa den aus dem Gartenweg?«
Ich nickte. »Kennen Sie ihn?«
Erwin Geldmacher lächelte. »Den kennt jeder Segler in der Stadt.«
»Weil er Kap Hoorn umsegelt hat?«, wollte ich wissen.
»Ich möchte mir das Schiff mal ansehen«, sagte der Mann, ohne mir zu antworten. Manche Erwachsene scheinen einfach nicht zu wissen, was sich gehört.
»Aber der Vertrag zwischen dem Kapitän und mir ist perfekt«, sagte ich und stand auf.
»Lass mich die Jacht trotzdem anschauen. Wenn alles in Ordnung ist, bin ich gleich wieder weg.«
»Und wenn nicht?«
»Dann solltest du sie nicht kaufen«, antwortete er. »Auf gar keinen Fall.«
Der Kapitän war nicht begeistert, als ich mit dem Mann von der Sparkasse anmarschiert kam. Aber er hatte nichts dagegen, dass sich Erwin Geldmacher die Annemarie anschaute. Während der Bankangestellte mit der Untersuchung begann, verließ der Kapitän seinen Sessel auf Deck des Schiffs und verschwand in seinem Haus.
Es dauerte eine halbe Stunde, dann war der Mann von der Bank fertig. In dieser Zeit hatte er jeden Zentimeter des Bootskörpers abgeklopft. Er hatte
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