Bis unter die Haut
tonlos.
»Puh, krass!« Andy schüttelt den Kopf. »Ich glaub, ich hab schon davon gehört.«
Krass? Krass? Du Idiot! Krass ist, wenn Laurie nicht auf die Uni kommt, auf die sie will. Krass ist, dass du es nicht schaffst, deine Zeit beim Rudern zu verbessern!
»Tut mir leid. Das wusste ich nicht.« Lauries Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern, als sie den Arm ausstreckt und kurz Willows Hand drückt.
Willow nickt nur, aber sie ist gerührt. So viel aufrichtige Anteilnahme hätte sie von Laurie nicht erwartet.
Die anderen schweigen unbehaglich. Willow ist froh, dass nicht sie diejenige ist, die den Blick abbekommt, den Guy Andy zuwirft.
»Okay, Leute, wie sieht’s aus?« Adrian räuspert sich. »Sollten wir nicht langsam mal das Kinoprogramm checken?«
»Gute Idee.« Chloe holt ihr Handy aus der Tasche und tippt eine Nummer ein. »Ich brauch einen Stift.«
»Moment.« Andy schaut in seinem Rucksack nach, findet aber keinen. Dann entdeckt er den von Willow, der halb geöffnet im Gras liegt.
»Darf ich?« Er streckt die Hand danach aus.
»Wie bitte?« Willow ist entsetzt. Ihr ist nicht klar gewesen, dass er so offen herumliegt.
»Warte, ich geb dir einen …«, kommt sie ihm zuvor, bevor er in ihrem Rucksack herumwühlen kann, aber als sie hastig danach greift, fallen die Packungen mit den Rasierklingen heraus und landen im Gras.
Andy zieht eine Augenbraue hoch, als Guy plötzlich die Hand danach ausstreckt.
»Hey, cool, dass du dran gedacht hast, sie zu besorgen. Was kriegst du dafür?«
Willow ist überrascht, spielt aber mit. »Lass gut sein, die waren im Sonderangebot.« Eigentlich ist sie sich sicher, dass nichts wirklich Schlimmes passiert wäre, wenn Guy nicht eingegriffen hätte. Die ungeöffneten Packungen wirken viel weniger verdächtig als die einzelne blutige Klinge, die ihm neulich praktisch vor die Füße gefallen ist. Außerdem traut sie Andy so viel Scharfsinn nicht zu.
Trotzdem ist sie Guy dankbar dafür, dass er ihr sofort zu Hilfe gekommen ist. Einen Moment lang hat sie das Gefühl, als wäre er so eine Art Komplize.
»Wozu brauchst du denn die ganzen Rasierklingen?«, fragt Laurie ihn.
»Bloß für so ein Projekt, an dem ich grade arbeite«, winkt er ab.
»Okay.« Chloe klappt ihr Handy zu. »Die nächste Vor stellung beginnt in zwanzig Minuten. Wenn wir uns beeilen, schaffen wir’s noch.« Sie springt auf und fängt an, ihre Sachen zusammenzupacken.
Die anderen folgen ihrem Beispiel, bis auf Willow, die immer noch darüber nachgrübelt, was Guy gerade für sie getan hat, und ihn selbst.
»Kommst du mit?«, fragt Adrian Willow.
»Oder willst du lieber noch ein bisschen hierbleiben?«, fragt Guy, während er die Rasierklingen in seinen Rucksack steckt.
Willow fragt sich, ob er bloß das Spiel weiterspielt oder ob er die Rasierklingen an sich nehmen will, damit sie sie nicht benutzen kann. Würde er das tun? Sie hat ihm doch neulich in der Bibliothek erklärt, dass es nichts bringt, wenn er sie ihr wegnimmt.
Aber wenn sie sie wiederhaben will, muss sie bleiben.
Hat er es deswegen getan? Damit ich bleibe?
»Bleibst du denn noch?«, fragt sie ihn.
»Wenn du bleibst.«
»Ich bleib noch«, sagt sie nach einem kurzen Zögern.
»Ich glaub, wir lassen das Kino für heute ausfallen.« Guy lehnt sich auf die Ellbogen zurück.
»Wie ihr wollt.« Adrian scheint es egal zu sein, ob sie mitkommen oder nicht. Chloe ist damit beschäftigt, sich Grashalme von der Jeans zu klopfen, und Andy und Laurie schlendern schon Richtung Ausgang.
»Das hättest du nicht tun müssen«, sagt Willow, sobald die anderen außer Hörweite sind. »Ich meine, das mit den Rasierklingen. Er hätte es sowieso nicht kapiert, glaub mir.« Sie wird ein bisschen rot, als ihr klar wird, wie undankbar sie klingt. »Trotzdem danke.«
»Ich musste es tun.« Guy schüttelt den Kopf. »Du hast schon recht, er hätte es wirklich nicht kapiert, aber ich war sauer auf mich selbst, weil ich schuld daran war, dass du ihnen das mit deinen Eltern sagen musstest.« Er zögert kurz. »Ich sehe doch, wie hart das für dich ist.« Seine Stimme klingt ganz sanft, als er das sagt.
Aber Willow hört nur das Mitleid.
»Wäre es nicht einfacher für dich, wenn er es kapiert hätte?« Ihre Stimme ist so laut und vorwurfsvoll, dass sich ein vorbeischlenderndes Pärchen erstaunt nach ihnen umdreht. Sie weiß, dass Guy im Gegensatz zu diesem Holzkopf Andy unglaublich einfühlsam und lieb ist, aber sie hasst nichts mehr, als
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