Bis unter die Haut
bemitleidet zu werden. »Wäre das nicht viel besser? Dann wärst du endlich die Sorge los, mein Geheimnis für dich behalten zu müssen. Dann könnte jemand anderes es meinem Bruder erzählen.«
»Stimmt, eigentlich hast du recht«, gibt Guy wütend zurück. »Es wäre auf jeden Fall einfacher für mich. Aber irgendetwas sagt mir, dass Andy nicht gerade die geeignetste Person dafür wäre.«
»Tut mir leid«, sagt Willow nach einer Weile.
»Schon okay.« Guy setzt sich seufzend auf und fängt an, mit einem Stock im Gras rumzustochern.
»Nein, du hast recht«, sagt Willow. »Er wäre der absolut ungeeignetste Mensch dafür. Ich finde ihn, ehrlich gesagt, ziemlich taktlos. Wie kommt es überhaupt, dass ihr befreundet seid?«
»Befreundet ist zu viel gesagt. Wir sind zusammen im Ruderteam und treffen uns ab und zu, aber so richtig unterhalten haben wir uns eigentlich noch nie. Er macht sich zwar immer über Laurie lustig, ist aber keinen Deut besser. Nur dass es bei ihm immer ums Rudern geht und darum, welcher Studentenverbindung er später beitreten will.«
»Laurie ist gar nicht so übel«, sagt Willow und denkt daran, wie mitfühlend sie vorhin reagiert hat. Sie dreht sich auf den Bauch und stützt ihr Kinn in die Hand. »Woher kennst du sie eigentlich? Ist sie etwa auch in der Rudermannschaft?«, neckt sie Guy.
»Quatsch. Ich kenn sie über Adrian.« Er wirft den Zweig weg und legt sich wieder auf den Rücken. »Wir sind schon seit einer Ewigkeit befreundet. Mit Laurie hab ich nie was zu tun gehabt, bis die beiden in der Zehnten zusammengekommen sind. Und Chloe kenne ich wiederum über Laurie. Ich glaube, Andy steht auf sie. Deswegen hängt er gerade mit uns ab.« Er zuckt mit den Achseln.
»Hat Laurie mal irgendwas über mich zu dir gesagt?«, fragt Willow und zupft an einer Löwenzahnblüte herum.
Guy sieht sie erstaunt an. »Was soll sie denn über dich gesagt haben? Weiß sie etwa, dass du dich ritzt?«
»Nein! Aber ich hab mich vor ein paar Tagen mit ihr und ein paar anderen Mädchen unterhalten. Und ich, na ja, ich hab es mal wieder total vermasselt und ziemlich seltsames Zeug von mir gegeben. Ich dachte nur, dass sie es dir gegenüber vielleicht erwähnt hat.«
»Ich glaube nicht, dass die Leute über dich reden, Willow. Zumindest nicht so, wie du denkst. Zu mir hat jedenfalls noch nie jemand irgendwas gesagt.« Er nimmt ihr den Löwenzahn aus der Hand, der mittlerweile völlig zerrupft ist.
»Ich hatte das Gefühl, dass Andy total über mich Bescheid weiß.« Willow kaut an ihren Nägeln herum und vergräbt sie dann verlegen unter Guys Pulli. »Dieses Mädchen aus dem Physikraum, Vicky, sie hat auch so etwas in die Richtung gesagt.«
»Meinetwegen, dann eben Andy und Vicky und vielleicht noch ein paar Leute, die irgendwas zu wissen glauben, aber ich würde mal sagen, dass du im Moment ganz andere Probleme hast. Ich meine, jetzt mal im Ernst, auch wenn sich Andy wie ein Vollidiot verhalten hat – war es wirklich so schlimm heute? Ist doch eigentlich ganz nett gewesen mit uns, oder?« Guy pflückt eine andere Pusteblume aus dem Gras. »Hier, nimm die.« Er zieht ihre Hand unter dem Pulli hervor und schließt ihre Finger um den Stängel.
»Soll das ein Witz sein?« Willow schnaubt und fängt an, diese Blume genauso zu zerrupfen. »Nachdem ich gesagt habe, dass meine Eltern tot sind, und Andy sich so unglaublich mitfühlend geäußert hat, sind alle davongestürzt, als ob ich irgendwie ansteckend wäre! Echt, ihre Eltern sterben schon nicht, bloß weil sie sich mit mir unterhalten!«
»Ich glaub nicht, dass es das war«, meint Guy nachdenklich. »Adrian hat einfach nur versucht, das Thema zu wechseln, damit du nicht länger im Mittelpunkt stehst.«
»Oh.« Willow denkt einen Moment lang darüber nach. Sie weiß nicht, ob sie Guy glauben soll, aber sie würde ihm gern glauben, und sie muss zugeben, dass er nicht ganz unrecht hat, wenn er sagt, dass sie im Moment eigentlich andere Probleme hat. Plötzlich erscheint es ihr nicht mehr so wichtig, ob die Leute über sie reden oder nicht.
»Und was hast du Komisches zu Laurie gesagt?«, hakt Guy nach.
Willow seufzt. »Ach, ich hab irgendeinen Schwachsinn über Katzen erzählt.«
»Katzen?« Guy fängt an zu lachen. »Damit hab ich jetzt ehrlich gesagt als Letztes gerechnet. Warum das denn? Weil Lauries Schwester in einem Tierheim arbeitet?«
»Zwing mich ja nicht dazu, diese Schmach noch mal zu durchleben!« Sie gibt ihm einen Klaps, muss aber
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