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Bis unter die Haut

Bis unter die Haut

Titel: Bis unter die Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Hoban
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gehen zu müssen – das ist etwas ganz anderes.
    Willow kann sich vorstellen, wie er sich fühlt. Versteht ihn vollkommen. Und trotzdem …
    Schrei mich an! Schlag mich! Tu irgendwas! Aber hör auf, so zu sein! Hör auf, so zu tun, als wäre nichts passiert! Als wäre das alles völlig in Ordnung für dich!
    »Also, was ist? Hast du die Klausur inzwischen zurückbekommen?«, hakt David nach.
    Willow ignoriert die Frage einfach. Sie wird diese Farce nicht länger mitmachen.
    Sie wirft einen Blick auf den Bücherstapel auf dem Tisch neben ihm und hofft auf eine Eingebung. »Und? Was liest du so im Moment?«, fragt sie, und zum ersten Mal während der gesamten Unterhaltung klingt ihre Stimme normal. Bücher sind sicheres Terrain. Vertrautes Terrain . Über Bücher haben sie sich auch früher immer beim Abendessen unterhalten.
    »Ach, Verschiedenes.« Davids Gesicht hellt sich für den Bruchteil einer Sekunde auf und hat einen Moment den gleichen Ausdruck wie früher. »Ich mache gerade ein paar Recherchen, hinterfrage einiges. Erinnerst du dich an die Fachzeitschrift, die ich neulich gesucht hab? Die habe ich gebraucht, weil ich mir ziemlich sicher bin, dass einige neue Funde den allgemein gängigen Theorien in Bezug auf Bestattungsriten vollkommen widersprechen.« Es ist eine Ewigkeit her, dass Willow ihn so lebhaft gesehen hat, so interessiert. Er bemerkt noch nicht einmal, dass sie seine Frage nicht beantwortet hat.
    Willow verkneift sich ein Lachen. Sie denkt daran, dass viele ihrer alten Freundinnen sie früher gedrängt haben, doch mal etwas gemeinsam mit David zu unternehmen. Alle waren verknallt in ihn, weil er extrem süß aussah und, na ja, eben auch älter war. Aber die meisten waren nach kürzester Zeit von ihrem hochintelligenten und deswegen auch leicht verschroben wirkenden Bruder und dessen Gesprächsthemen zu Tode gelangweilt.
    Willow langweilt sich kein bisschen. Bestattungsriten sind vielleicht nicht das Thema, das sie am allermeisten interessiert, aber das ist ihr im Moment völlig gleichgültig. Er redet mit ihr – er redet mit ihr über etwas, das ihm wichtig ist, und das macht sie glücklich.
    »Das ist ja witzig.« Willow beugt sich vor. »Weißt du, welches Buch mir neulich zufällig wieder in die Hände gefallen ist? Traurige Tropen . Ich hab seit … keine Ahnung, seit Jahren keinen Blick mehr hineingeworfen.« Sie ist sorgfältig darauf bedacht, mit keinem Wort ihren Vater zu erwähnen. »Aber ich hab total Lust bekommen, es noch mal zu lesen. Es ist so ein schönes Buch.«
    »Absolut großartig«, stimmt David ihr zu. »Das Irre daran ist, dass es sich nicht wie ein anthropologisches Fachbuch liest, sondern wie ein …« Sein Gesicht wird plötzlich ernst. »Hör zu, Willow. Ich glaube eigentlich nicht, dass du im Augenblick für so etwas Zeit hast. Hast du den ganzen Unterrichtsstoff schon aufgeholt? Ich möchte nicht, dass du hinterherhinkst. Und du hast mir noch nicht auf meine Frage nach dem Essay geantwortet. Hast du schon ein Konzept ausgearbeitet? Ehrlich gesagt frage ich mich, wie du bei dem Pensum überhaupt daran denken kannst, Traurige Tropen zu lesen. Ich fürchte, das musst du ein bisschen zurückstellen.«
    Es ist als hätte dieses schöne, kleine Zwischenspiel nie stattgefunden.
    »Ja natürlich, du hast recht.« Willow ist zu entmutigt, um zu widersprechen. »Die Schule ist natürlich wichtiger. Hier …« Sie sucht etwas in ihrer Tasche. »Ich hab gestern meinen Gehaltsscheck eingelöst und heute Morgen ganz vergessen, Cathy das Haushaltsgeld zu geben.«
    Sie schiebt eine Handvoll Dollarscheine über den Tisch. David betrachtet sie stirnrunzelnd und steckt sie dann widerstrebend in sein Portemonnaie.
    »Vielen Dank«, murmelt er.
    »Gerne«, erwidert sie genauso steif. Es ist ihr jedes Mal unangenehm, wenn er sich für ihren armseligen Beitrag bedankt.
    »Hey.« David starrt auf ihren Arm, die mittlerweile vertraute Furche taucht zwischen seinen Brauen auf. »Hast du dich verletzt?«
    Im ersten Augenblick ist Willow zu Tode erschrocken. Dann schaut sie auf ihren Arm hinunter. Sie versucht den Verband, den Guy ihr umgewickelt hat, so zu sehen, wie David ihn wahrnimmt. Ein bisschen schmuddelig, sicher, aber ansonsten nichts weiter als ein harmloser Verband.
    »Ja, David.« Sie schaut ihm direkt in die Augen. »Ich habe mich verletzt.«
    Die Wahrheit, die darin steckt, ist kaum auszuhalten. Die ganze Situation ist kaum auszuhalten. Sie kann nicht länger mit ihm an diesem

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