Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte
und haben mich gefragt, ob ich die ZK-Abschiedstournee organisieren will.
Da ich bis dahin noch nie eine Tournee veranstaltet hatte, wußte ich gar nicht, was ich da organisiere. Ich hab einfach irgendwelche Nummern angerufen, die Fabsi mir gegeben hatte, und die Gage vereinbart. Dann kam ich da in Stuttgart an, und es standen achthundert Leute vor der »Mausefalle«, die alle ZK sehen wollten. Das war mir völlig schleierhaft. Nach der Tournee aber war mir klar: Wenn ich überhaupt noch mal mit jemand arbeiten will, dann mit denen. Ich hab in einer Tourwoche mit ZK mehr erlebt als andere mit ihren Bands in fünfjahren. Und es gab da kein Rumgezicke, wie ich das von fast allen anderen Bands her kannte. Ich fand diese Rockdiva-Nummer bei Marley oder auch bei Public Image immer ziemlich ätzend, und genau das lief bei den Jungs eben nicht. Und das war wohl der dritte und wichtigste Grund.
Ich war überhaupt nicht davon überzeugt, daß diejungs als »Tote Hosen« die zukünftige Supercombo würden. Ich fand einfach nur bewundernd, wie professionell die ihr Ding im Grunde abgeliefert haben. Die wollten richtig, und die hatten diese bestimmte Art: Man fährt irgendwo hin und spielt hundertprozentig die Show, egal ob da viertausend sind oder bloß zwanzig, wie einmal in Hof. Die Jungs haben auf der Bühne so gespielt wie Joachim Hopp in der letzten Bundesliga-Saison des MSV Duisburg, der noch halbtags in die Zeche einfuhr und auf dem Platz mehr Gas gab als die Vollprofis. Das war das Hosen-Ding: Es konnte zu Anfang zwar keiner spielen, außer Kuddel, aber das war egal. Und das war der Punkt, wo wir zusammenpaßten: Wenn ich irgendwo schon was gemacht habe, hab ich es auch immer mit Vollgas gemacht.
Dann lernte ich auf der Schirmerstraße, wo ich inzwischen wohnte, Ute kennen. Ich lud mich auf einen Kaffee ein und machte auf nett, weil ich keine Dusche hatte und nach den Touren immer dringend eine brauchte. Ute war schon Lehrerin, und eine ihrer ersten Amtshandlungen in unserer Beziehung wurde dann, mein Leben zu sortieren. Ich hatte eigentlich nur Mahnbescheide und Rechnungen, die auf mich einprasselten, und nun begann ich auf ihr Drängen, die Mahnbescheide nicht mehr gleich wegzuschmeißen, sondern zu beantworten. Ich war selbst nach den ersten größeren
Erfolgen der Band noch lange damit beschäftigt, die Löcher, die sich irgendwann mal aufgetan hatten, endlich zu stopfen. Es gab auch nie diesen einen Punkt, wo ich gedacht hab, jetzt geht es tierisch los. Das hat sich einfach entwickelt.
1983 hab ich dann mit Dietrich von Rough Trade und Scu-mek die Konzertagentur »MCT« gegründet. Diese Firma hat zwar reichlich Geld gekostet, war aber für mich und die Hosen sehr hilfreich. Ich bekam dadurch die professionelleren Kontakte und hatte Bands, die auch andere wieder haben wollten. Der Deal ging dann immer: Willst du die Ramones, mußt du auch die Hosen nehmen. Als dann irgendwann sowieso alle die Hosen haben wollten, bin ich 1990 ausgestiegen und hab mit Kiki und den Jungs »KKT« (Kikis kleiner Tournee-Service) gestartet.«
»Ich kümmer mich«, sagtejochen damals, und dabei ist es bis heute geblieben. Fünf Chaoten und ein blutleerer Vampir in einer grünen Bomberjacke - das läuft irgendwann sowieso nur auf Punkrock hinaus.
Ich pflegte meine Stimme, seit ich im Winter 88/89 aus der HNO-Klinik in Hannover entlassen wurde. Ich sang mich ein, lalalalilili, gurgelte und schonte. Aber mein Leben, unser Tour-Leben, änderte sich nicht. Es gibt eine Eigendynamik des On-the-Road-Seins, die dich wie ein Sog erfaßt; dagegen kommst du nur schwer an. Wenn du wochenlang mit deinen Kumpels und einer guten Crew durch die Lande ziehst, kommst du in diese aufgekratzte Klassenfahrt-Euphorie. Du pfeifst dir ständig Überdosen an Erlebnissen, Kontakten und Belastungen rein, und weil du das nicht mit Ruhephasen aus-gleichen kannst, pfeifst du über kurz oder lang noch andere Dinge ein. Das beginnt mit Pushern, den lieben kleinen »Cappis«, und endet in weißen Pulverbergen aus Brottüten -so groß, wie alte Frauen sie zum Entenfüttern tragen.
Es ist Sommer 1991, der Morgen nach dem letzten Konzert unserer »Learning English«-Tournee. Am vergangenen Abend haben wir auf dem Festival im schweizerischen Fraunfeld einen ziemlich miserablen Gig vor ausgedünntem Publikum gespielt - diejungs von Status Quo, die vor uns spielten, fak-kelten am Ende ihres Sets ein komplettes Feuerwerk auf der Bühne ab; das haben viele als Zeichen
Weitere Kostenlose Bücher