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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Toten Hosen
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einzigen funktionierenden Kooperation zwischen Düsseldorf und Köln. Dort weiß man noch, wie man richtig schwarze, fette Kopfzeilen baut. »Hosen-Star Campino: So krochen wir aus dem Drogensumpf«. »Die Skandal-Bio der Hosen: Rotzen, Rocken, Rauschgift-Orgien«. Nur die kleingedruckte moralische Erbauung am Schluß der Artikel fiele mir schwer. Wir sind nicht die Drogenberatung oder Lothar Matthäus im T-Shirt, wir sagen nicht »Laß es sein!« Diese Moral haben wir nicht. Wir haben nur unsere eigene Geschichte, und ich glaube nicht, daß Jesus oder Campino oder Kuddel oder sonstwer wirklich stellvertretend für andere etwas durchleben können.
    »Wir kommen aus der Hölle, auf die auch du dich zubewegst, und wir sagen dir kraft unserer Erfahrung: Weiche zurück, kehre um, es lohnt sich nicht!« Diese Aerosmith-Nummer vom staatstragenden Rock’n’Roller, der »die Jugend« warnt - nein, sorry, die Nummer glaube ich mir selber nicht. Es war nämlich wirklich großartig, mit einer Schaufel Koks im Schädel vor all diesen Leuten zu stehen und das eigene Hochgefühl auf sie zu übertragen. Es war absolut super, mit Faust, Elmar, Kiki, Bollock, und all den anderen aus der Crew auf irgendwelchen Hotelzimmern Spontanparties abzuhalten, auf denen zur Verlängerung des Vergnügens Pusherpillen kreisten. Das ist ja das Gefährliche daran: Das Leben fühlt sich tierisch gut an, wenn du vollgedröhnt bist. Wenn es nach Antilopenkacke schmecken und einen völlig depressiv machen würde, ließe man schnell die Finger davon.
    Aber es kommt auch der Tag, wo du nicht mehr weißt, in welcher Halle, in welcher Stadt du gerade bist, Lichtjahre von zuhause entfernt. Dann beginnt sich alles außerhalb der Crew, der Bühne, dem Tourbus langsam von deiner Wahrnehmung abzulösen wie eine alte Tapete. Der Kontakt reißt -und was, außer etwas Routine, hast du den Leuten vor dir dann noch zu geben?
    Wir sind seit dem Eklat von Fraunfeld keine Mönche geworden. Aber wir wissen heute besser, wann die Zeit wofür gekommen ist. Auf den Weihnachtsfeiern mit unseren Freunden gibt’s weiter mehr als bloß Lebkuchenplätzchen. Zwischen Tournee und neuen Aufnahmen nehme ich bis heute und auch noch morgen - kleine Portionen von irgendwas. Es kommt immer auf die Situation an. Ich bin keiner, der vom Wettfressen in verschärfte Diäten verfällt; solche schnellen Wechsel sind mir eher verdächtig. Vom Punk zum Zeugen Jehova, vom Zeugen Jehova zurück zum Punk, immer die Lektüre wechseln zwischen Wachtturm und Fanzine - nein danke, das habe ich anderswo oft genug gesehen.
    In Südfrankreich sitzen in jedem Dorf wenigstens zwanzig alte Säcke mit neunzigjahren und mehr hinter sich; wenn du die fragst, sagen sie dir, daß sie jeden Tag ihres Lebens zwei bis fünf Gläser Wein gesüffelt haben. Diese Kerle da unten mit ihren ranzigen Kappen, ihren Boulekugeln und ihren offenen Hosenställen, das sind für mich die wahren Punkrok-ker. Nie asketisch, nie perfekt, aber immer auf Draht, wenn es darum geht, ein kleines Spielchen zu machen.
    Wir waren reinrassige Autodidakten, als wir uns im Frühjahr 1982 zusammen würfelten. Das ist kein Märchen, sondern historisch verbrieft. Als ich mit Andi, Kuddel und Trini ein paar Wochen nach der ZK- Abschiedstournee die Idee von einer mindestens zehnköpfigen Pro-Punk-Anti-Dixieland-Big Band verfolgte, wollten wir die Instrumente grundlegend neu verteilen. Ich wollte überhaupt nicht mehr singen und den Frontaffen machen, sondern Schlagzeug spielen. Das war und ist bis heute mein Lieblingsinstrument. Etwas davon war ja schon da: Weil bei ZK immer wer zu spät kam, hatte ich mich oft hinter die Kübel geklemmt und über die Monate einen halbwegs gescheiten Roll und schließlich auch einen brauchbaren Break entwickelt. Umgekehrt war Trini, der Trommler, teilzeitmäßig irgendwie auch Sänger beim KFC gewesen. Wir verabredeten also, beide Arbeiten abwechselnd zu erledigen. Das war eine gute Sache, auch wenn Trini mich bald darauf beschiß und ich wieder hinterm Mikro landete.
    Andis Empfehlung war, daß man beim Trinken auf ihn zählen konnte. Er gewann die Ausschreibung für die Bass-Stelle mit einem einfachen Trick: Weil vier dicke Saiten an einem Instrument nur seine Finger durcheinander brachten, montierte er zwei davon ab. So kriegte er das geforderte rhythmische Grunddumpfen entlang des Haupttons unfallfrei geregelt. Andi war kein As, aber er steigerte sich gehörig. Später wurde er so mutig, die Latte noch ein

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