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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Toten Hosen
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Solingen, in »Rudas Tonstudio« an der Kreuzstraße in Düsseldorf aufgenommen. Solange wir nichts Neues in der Hinsicht hören, betrachten wir das übrigens weiter als inoffiziellen Weltrekord. Für das Cover benutzten wir hinten einfach unser erstes Live-Photo und vorne eines aus der Session am Bahnhof in Mettmann: fünf schräge Zugvögel, die mit Paddel, Globus, Skiern und Mützen verzweifelt das Thema »Reise« umzusetzen versuchen.
    Wir wählten Martin Rudas kleines Studio für unser Vorhaben aus, weil es die einzige Tonbude im Umkreis war, in die man damals ohne Scheck oder Cash vorab hineinkam. Die tausend Eier für den Tag konnte man gegen Rechnung irgendwann überweisen. Aber natürlich war es ein Teufelspakt. Der Laden dieses langhaarigen Hippies wurde eigentlich nur zur Synchronisation von Werbespots benutzt; er hatte so ziemlich alles nicht, was ein normales Tonstudio ganz selbstverständlich besitzt. Es gab kein einziges Effekt -und kein Stimmgerät, es gab im Grunde nur Eierpackungen an der Wand, ein Tonband und einige Mikrofone. Dazu paßte unser Equipment wie maßgeschneidert: Kuddel quälte seine Riffs durch einen »H+H«-Kofferamp von der Größe einer Pralinenschachtel, dem bei jeder Fremdberührung Mittelund Endstufe rausfielen, Andis Gerät war eine Kaufhauseroberung namens »Hot-Bass 60«. Ein Name, ein Programm. Muß ich weitere Details liefern?
    Unsere kleinen Scheibchen wurden nicht der Kickstart in die Weltliga; mit ihnen begann kein unaufhaltsamer Karriereschub zu vorbestimmten Millionenverkäufen. Etwa vierbis fünfhundert Exemplare wurden von den Dingern jeweils abgesetzt; der Rest stapelte sich in gigantischen, völlig unverrückbaren Kartons bis unter die Decke unseres Zwei-Zim-mer-Büros an der Kölner Straße 170, sechster Stock ohne Lift. Wir hatten die optimistische Startauflage schon an dem Tag verflucht, als sie vom Preßwerk angeliefert wurde. All die niedlichen 25er-Pakete wurden ja nicht oben vor unserer Tür, sondern einfach unten in der Einfahrt abgesetzt; hinauf mußten wir ihnen selbst helfen. Es war Trinis sauerländisches Einkaufskalkül, durch die hohe Menge den Stückpreis im Preßwerk auf günstige Einsfünfzig zu drücken. Aber spätestens beim zwanzigsten Aufstieg an der Treppe war uns klar, daß der Deal, absolut gesehen, immer noch mehr kostete als er einsparte.
    Es gab also keine Schlangen vor den Indie-Plattenläden der Republik, und es gab keinen großen Presserummel. Für die meisten Vorschmecker in den Redaktionen der Stadtzeitungen und Musikmagazine waren wir nicht Das-nächste-große-Ding, sondern völlig altmodisch. Punk war verbindlich beerdigt, abgehakt. Wer 1982 noch auf diesem Ticket fuhr, war ein Depp aus der Provinz und damit ungefähr so aktuell wie der Sandsteinabdruck eines vierhundert Millionen Jahre alten Trilobiten. Das ließ man uns auch nicht zu knapp oder bloß zart angedeutet spüren.
    »Keinerlei Sex-Appeal haben dagegen die Toten Hosen. Dafür erfreuen sie mit plump romantischem, verkorkstem Pop und hochnotpeinlichen Texten über selige Pennerkönige und Nordsee-Selbstmörder.. .Wertvoll und jugendfrei.«
    Soweit »Spex«, schon damals das Zentralorgan der avantgardistischen deutschen Jugendkultur, in einer ersten Kurzkritik. Daß aus Köln nichts Aufbauendes für fünf zurückgebliebene Düsseldorfer kommen konnte, war vorauszusehen. Deshalb machte uns auch nicht der Inhalt der Kritik zu schaffen, sondern höchstens die Länge. Wir wollten nicht auf neun, sondern auf hundertneunzig Zeilen niedergemacht werden, wie man es mit Platten von den Ramones, von Iggy Pop oder von Sham 69 tat. Wie konnten wir darauf hinarbeiten, in solcher Breite verrissen zu werden? Würde es schon genügen, wenn wir einfach weitermachten wie bisher?
    Mehr Sorgen bereiteten uns aber oft die Leute, die unsere Platten aus den seltsamsten Mißverständnissen heraus großartig fanden - und uns damit völlig blamierten. Zugekiffte Desperados hielten uns auf einmal für Vertreter der guten deutschen, erdigen und ehrlichen Rockmusik oder fanden uns »Irgendwie psychedelisch mit ihren bunten Hosen und ihren langen Haaren, die ihnen über Kragen und Ohren reichen« (Stadtmagazin »Guckloch« aus Herne, März '83). ja, sie hoben uns auf den Teller und boten uns ihren Freunden an, die wahrscheinlich noch schlimmer als sie selbst waren: »Man muß die Buben einfach live erleben. Vielleicht ladet ihr sie mal zu einem Heimspiel ein. Euer Zwerch- und Trommelfell wird Euch

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