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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Toten Hosen
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deine Freunde, diese Punker. Dann sag denen jetzt mal, die sollen damit aufhören.« Wann immer eine Prüfung des Lebens unsere Lehrkörper traf, sah man bei denen nichts als Versagen. Es war enttäuschend.
    Unterwegs mit ZK hatte ich andere »Lehrer«. Andi lehrte mich Englisch, Campi unterwies mich in Geschichte, Jo-chens Frau war sowieso schon Deutschlehrerin. Aber es zeichnete sich bald ab, daß ich die notwendigen Punkte für die 13 nicht zusammenbekommen würde, und da stieg ich aus. Meine Eltern jammerten ein bißchen darüber, doch ich hatte noch einen älteren Bruder, der mich als Troublemaker damals um Längen schlug. Er hatte sich nach Amsterdam und später New York abgesetzt, war irgendwie versackt; das lenkte sie von meiner Pleite erst mal ab. Ich selbst habe mich von da an nur noch mit Gitarren und Songschreiben auseinandergesetzt, mit dem also, was mich - noch vor Billardtischen und Spielkarten - am meisten interessiert. Und das liegt, wie gesehen, nicht zuletzt an diesem blöden Bursch.
    Nur eines stimmt nicht an diesem Buch: An einer Stelle von »House of the Rising Sun« wird ein falscher Akkord angegeben. Statt D-Moll muß da D-Dur gespielt werden, definitiv. Generationen von pickeligen Tertianern haben die Eric-Burdon-Nummer also stellenweise falsch geschrammelt, das steht fest. Und ich möchte das gerne korrigieren, auch wenn die anderen wieder sagen werden: Typisch Kuddel, dieser Musiker!
    Wir hatten also einen Blitzstart mit dem zweiten Album, wir hatten Fernseh-Auftritte in der »Michael Braun Show« vom WDR und beim »Musik-Convoy«. In die »Michael Braun Show« schneiten wir mit fünf Mönchskutten, weil wir den »Abt von Andechs« brachten. Beim »Musik-Convoy« gab es absolutes Alkohol-Verbot, weil wir bei einer früheren Sendung auf dem frisch renovierten Marktplatz von Frechen mit King Kurt zusammen die Sau rausgelassen und ein anderes Mal versagt hatten; Proll-Heike von der Ratinger Straße sang für Campi, der nicht mehr einsatzfähig war. Alles Spitzen-Aktionen, so gesehen. Und wir hatten mit der »Spex«-Redak-tion in Köln das Politbüro der Jugendkultur jetzt ganz auf unserer Seite. »Punk ist den Bach runtergegangen«, hieß es in der Januarausgabe, »doch die Toten Hosen halten sich oben. Shake Hands.«
    Händeschütteln mit Kölnern - vielleicht waren wir ein bißchen übermütig geworden in diesen Monaten. Das sollte sich rächen, als Wolfgang Büld ein zweites Mal unsere Wege kreuzte. Der große Subkultur-Regisseur, dem wir das »Bom-merlunder«-Video verdankten, kam wieder mit einer ganz neuen, ganz tollen Idee. Er wollte einen halb-ironischen Spielfilm über die »Formel i«-Sendung machen, in dem über die Teenager-Industrie schwer abgeulkt werden sollte. Das jedenfalls war die Kurzversion der Idee, mit der Büld uns für das Projekt gewann. Wir waren schon immer für Ironie, und wir waren schon immer dafür, für sechs Wochen Arbeit insgesamt fünfzigtausend Mark zu kassieren. Wenn man gar nichts hat, sind fünfzig Riesen in der Bandkasse ein Klumpen Gold. Ironie gegen Gold, das schien ein fairer Deal zu sein. Also sagten wir zu.
    Das Gold kam dann auch rüber, aber auf die Ironie warten wir bis heute. Es wurde natürlich kein Ulk auf dieTeenager-In-dustrie, sondern eines ihrer bravsten Produkte. Was anfangs bissig geklungen hatte, endete in der Umsetzung als kleine Blödelei. Von den angekündigten Bands liefen neben uns nur noch angewavte Schrottkapellen auf- nicht aber diejungs von Motörhead zum Beispiel, von denen ursprünglich die Rede gewesen war. Dafür gab es Psychokräche und neurotische Ausbrüche im Halbstundentakt. Die sechs Wochen auf dem Bavaria-Gelände müssen sich Campi und Breiti wie im Zivildienst gefühlt haben, in der Grafenberger Klapse - nur mit dem Unterschied, daß am späten Abend alle gehen durften. Der Produzent, der Regisseur, die Schauspieler, die zweite Reserve-Maskenbild-Assistentin - sie alle hatten abwechselnd oder gleichzeitig mit kurzen Pausen das Gefühl, ihre Rolle oder ihre Auffassung vom Film oder Weiß-der-Henker-was kämen hier viel zu kurz und seien sowieso für das Projekt vergeudet.
    Wenn man sich dabei als geschlossene Gruppe raushielt und beobachtete, so wie wir, hatte das was. Es war, als dürften wir uns dieses ganze Psychotheater der darstellenden Kunst wie in einem begehbaren Museum betrachten. Furchtbar. Ekelhaft. Großartig. Jeden Abend fuhren wir erschüttert und erschöpft zu unseren Münchner Freunden zurück, wo

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