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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Toten Hosen
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Bands gerade auf dem Höhepunkt angelangt waren. Campi prügelte sich damals mit Hans und Dirk, ein paar Jahre später setzte man sich gemeinsam hin und sprach sich aus. Bei diesem Treffen prophezeite Campi unseren »Konkurrenten« auch, daß sie die unlängst beschlossene Auflösung ihrer Band nicht ewig durchhalten würden. Man wettete um tausend Mark, und als Campi dreijahre später einen Brief aus Berlin mit einem Tausi drin erhielt, wußte er als einer der ersten von der Wiedervereinigung der Combo. Er schnitt den Geldschein durch und schickte eine Hälfte retour, damit man den Lappen irgendwo gemeinsam verfei-ern könnte - und damit war die Phase der gegenseitigen Animositäten im wesentlichen beendet.
    Was nun die Bravo-Debatte bei uns betraf, setzte Campi seine Linie mal wieder durch. Es gab ein Treffen mit denen, wo es hieß: Wir geben euch ab jetzt Informationen, aber dafür erwarten wir, daß ihr nicht mehr so eine gequirlte Scheiße über uns schreibt. Das war auch der richtigere Weg, wie ich fand. Man fühlt sich vielleicht gut dabei, ideologische Grenzen aufzubauen, aber im Alltag unseres Geschäfts funktioniert es nicht. Wir konnten der »Bravo« das Schreiben nicht verbieten, unmöglich. Die einzige Art, es wenigstens zu beeinflussen, war, bis zu einem gewissen Grad zu kooperieren.
    Armer Udo Lange. Es war sowieso die Tournee der tausend Tumulte, von Anfang an. Wir starteten die »Unter falscher Flagge«-Tour im Mai '85 in der Mensa der TH in Aachen mit einer lupenreinen Eskalation. Irgendwann während des Gigs marschierten zwei Polizisten auf die Bühne und ermahnten uns, ein bißchen leiser zu sein. Darauf wurden im Saal Pfiffe laut und durch die Kids zwei Polizeimützen beschlagnahmt. Campi forderte die Menge auf, alle Fenster zu öffnen. Jetzt war es richtig laut. Es dauerte nicht lange, bis die zwei mützenlosen Sheriffs mit einer Hundertschaft zurückkehrten, komplett mit Maschinenpistolen und dem ganzen Anti-Ter-ror-Klimbim. Weil man auch die Punks und Studis bei der Räumung nicht richtig abziehen ließ, kam es zu schwerer Randale. Wieder kolossale Prügelszenen, Flaschenwürfe undsoweiter. Und »Heino« Wurde von einem Polizeiwagen angefahren - es trifft ja immer den falschen!
    Eine Woche darauf wußten wir, daß wir nun im Computernetz der Ordnungshüter gelandet waren. Wir fuhren mit dem alten Opel Blitz gerade nach Koblenz rein, wo wir am Abend im »Logo« spielen sollten, als uns mehrere Polizeifahrzeuge ausbremsten. Wir wurden verhaftet und Stunden später wieder freigelassen, ohne daß uns irgendwer eine Begründung dafür gab. Einfach so. Auf einmal waren wir unheimlich populär: Wo immer wir auf dieser Tour hinkamen, schien man uns ganz oben bereits zu kennen. In Karlsruhe erteilte man uns ein Auftrittsverbot, anderswo wurden Ordnungskräfte massiert. Auch in Heidenheim wurden wir kurz vor unserem Konzert ohne Angabe von Gründen vorübergehend festgesetzt.
    Pipikram eigentlich. Einmal wurde Bollock nachts verhaftet, weil er im Suff ein paar Mülltonnen umgerannt hatte. Jedem zweiten Fliesenleger oder Hals-Nasen-Ohren-Arzt ist sowas nach ein paar Litern zuviel schon passiert. Wir machten uns manchmal richtig Sorgen um diesen Staat: Hatte er keine gefährlicheren Feinde mehr als ein paar besoffene Punks?
    Wir gaben bis Mitte Juli achtunddreißig Konzerte, dabei gab es etwa achtundzwanzigmal Ärger. Wenn uns die Ordnungshüter gerade mal nicht behelligten, sorgten unsere Zuhörer selbst für Probleme. Es war die Zeit, als wir überall mit Rufen wie »Kommerzschweine!« überzogen wurden, weil wir die Independent-Ideologie verraten hatten. Unser Vertrag mit einem großen Label wie EMI machte uns für bestimmte Leute automatisch zu einer Art Streikbrecher, jedenfalls in Deutschland. Die Platten der englischen Bands wie The Clash, PIL etc., die fast alle bei den »Majors« waren, wurden dagegen ohne Murren gekauft.
    Anläßlich eines Gigs in Göttingen wurde sogar mal ein Gegenkonzert organisiert. Es ging gegen die Wucher-Eintrittspreise im »Autonomen Jugendzentrum«, gegen unseren »Kommerz-Punk« und vielleicht auch gegen die Mondphasen und das spezifische Gewicht von Silicium, wer weiß - in Göttingen blieben schon aus Tradition keine etablierten Zustände von einer kritischen Hinterfragung verschont. Jedenfalls endete es damit, daß wir selbst todesmutig auf der Gegenveranstaltung aufkreuzten. Aber statt uns rauszuschmeißen, fragte man uns da bloß vereinzelt um ein Autogramm.

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