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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Toten Hosen
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wir die Nacht verbrachten. Die Pension, in der wir die ersten beiden Tage einquartiert waren, hatte uns rausgeschmissen, und

    Hausfriedensbruch, schwere Körperverletzung und Diebstahl im PI: »Verfahren eingestellt«.
    unsere Freunde konnten unsere Übernachtungspauschalen zu der Zeit besser gebrauchen als jedes Hotel. Erst zur großen Premiere in München, im Juli, wurde uns das ganze Ausmaß des Desasters bewußt. Doch es war nicht die Enttäuschung darüber oder sonst ein Frust, der uns bei der Premierenfeier in der Nobeldisco »Pi« in eine kolossale Massenschlägerei hineintrieb.
    Dort gab es einen Disco-Bereich, wo ich mit der brünetten Hauptdarstellerin, Sissy Kelling, auf der Tanzfläche war - ich tanze sonst eigentlich nie. Und diese große Terrasse, auf der standen Andi, Campi und die anderen und zogen sich die Biere vom Tablett. Bis um eins zahlte die Filmproduktion, danach mußte gelöhnt werden. Kurz vor eins wollte Bollock, unser dunkelhäutiger Roadie, noch mal nachspülen, aber der Kerl mit dem Tablett signalisierte ihm, jetzt wäre Schluß. Er sagte: »Für dich gibt’s hier sowieso nur Wasser, Neger!« Da wollte Bollock sich aus der Jacke schälen und auf ihn drauf. Der Kellner verschwand und kam mit fünf Kollegen zurück, und dann breitete sich das alles aus wie in der großen Saloon-Szene bei Lucky Luke. Alle Hosen, bis auf mich, den Tänzer, stürzten sich auf das Personal; Tische und Stühle krachten, die Unbeteiligten spritzten fluchtartig in alle Richtungen. Es war großes, altes Kino.
    Als ich auf die Szene kam, war schon alles gelaufen. Das Mobiliar kaputt, die Hosen auf der Polizeiwache. Nur Jochen war noch da. Er erzählte, wie die vom »Pi« einen Scheinfrieden mit uns geschlossen hatten; sie fuhren plötzlich ein paar Tabletts Freibier auf und riefen hintenrum die Bullen an. Dann war zügig ein Mannschaftswagen aufgekreuzt. Ich ärgerte mich wahnsinnig. Keine Punkte in der Sex-Liga gemacht und eine wichtige Keilerei verpaßt - dümmer konnte es für mich nicht laufen.
    Viel später, als ich schon im Bett lag, kamen Campi und ein paar andere von der Wache zurück - und irgendwie wieder in diesen Kackladen hinein. Und Campi hielt dann das Kabel der Registrierkasse über eine Kerze, bis es »Peng!« machte und alles im Dunkeln stand. Da waren sie auf einmal alle Neger im Tunnel, unsere schicken weißen Münchner Kindl! In ein paar anderen Läden der Stadt hatten wir das lustige Zecheprellen dagegen wirklich und ohne große Gegenwehr gespielt. Hatten uns in ein und demselben Laden dreimal hintereinander vollaufen lassen, ohne einmal etwas zu löhnen. Trini war so zu, daß er auf seinen schönen gelben Anzug kotzte. Das gab wieder einige Punkte, aber auch überall Hausverbot. Als wir auf unserer 86er Tour wieder Kurs auf München nahmen, hieß die Order: Schlaftabletten einpacken, Nachtruhe ab zehn.
    Die Anzeigen wegen Hausfriedensbruch, Körperverletzung und Diebstahl im »Pi« kosteten keine großen Summen. Damit kamen wir klar. Doch Augenzeugen wie Udo Lange hatten es in der Zeit nicht einfach mit uns. Der Virgin-Chef hatte uns bereits beim ersten Kontakt mitten in einer Keilerei erlebt, und Jochen hatte ihm an dem Abend in München gerade erklärt, wir seien »reifer« geworden. Dann kamen auch schon die ersten Hosen und ihre Widersacher über den Tisch geflogen, an dem Lange mit Jochen, Bavaria-Produzent Thiesmeyer und einem WDR-Redakteur auf der Pi-Terrasse saß. »Reifer geworden« - klatsch, schepper, schrei! Es ging geradewegs weiter so: Langes dritter Versuch einer Kontaktaufnahme mit uns fand wenige Tage später nach einem Gig im »Alabama« statt, als er mit einem Fäßchen Andechser Doppelbock hinter der Bühne aufkreuzte (von wegen »Abt von Andechs«), Da fetzten sich gerade Campi und Andi; es ging unter anderem um die Frage, ob man mit den Leuten von »Bravo« reden dürfe oder nicht. Campi sagte: »Wieso denn nicht?« Andi meinte: »Bist du blöd, auf keinen Fall!« Sofort hatten sie sich an der Gurgel, und Bollock, der an dem Punkt sensibel war, schrie beide an und wollte sofort nach Hause.
    Solche Intermezzi gab es bei uns in loser Folge immer wieder. Wenn du wochenlang so nah zusammen bist wie ein paar Forscher in einem Zelt am Nordpol, kann es sehr schnell mal knallen. Man haut sich was auf die Ohren, brüllt, schweigt eine Weile - und verträgt sich dann. Ähnlich lief das, als wir mal in Berlin mit den Ärzten kollidierten, während die Sticheleien zwischen beiden

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