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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Toten Hosen
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und Gedöns. Die müssen Köter dabei gehabt haben, die noch weniger geblickt haben als sie.«
    Es machte Spass, auf dem Gelände zu sein. Vormittags Fußball spielen, nachmittags ernsthaft reden und abends kiffen oder saufen - das war der freie, nicht entfremdete Mensch nach DIN-A-Marx. Natürlich gab es Leute, die nicht mit uns umgehen wollten. Für die ganz Harten im Zeltdorf waren wir einfach Kommerz, genau wie Grönemeyer, BAP und alle anderen, die schon eine richtige Platte bei einer richtigen Plattenfirma gemacht hatten. Für solche Hardliner wird es auch nichts weiter als Kommerz und PR-Trick sein, wenn jemand wie Bob Geldof eine Charity-Gala wie das »Live-Aid«-Konzert organisiert. Dabei war gerade »Live Aid« ein gutes Ding, und wenn sich von all den Stars, die sowieso schon jeder kennt, jemand selbst pro-motet hat, dann nahm das aus dem Topf mit den eingespielten Millionen für Eritrea keine müde Mark.
    Niemand weiß, daß wir nach Wackersdorf zum Beispiel auch mal auf einem Festival gegen den Castor-Transport aufgetreten sind. Das war in Lüchow-Dannenberg, wo Campi eine Schwester hat. Beate stellte die Kontakte her, aber unser Auftritt wurde ohne großes Geschrei vorab geplant. Die Folge war, daß viel zu wenige davon wußten und zum Konzert kamen, und das hatte wieder zur Folge, daß nicht viel Geld für Beates Freunde zusammenkam. Mit großem Geschrei und Selbstpromotion wäre das Ding ganz sicher politisch unanständiger, aber dafür letztlich erfolgreicher gelaufen.
    Wir wägen sehr genau ab, auf welchen Waggon wir uns stellen lassen, behalten uns gelegentliche Einmischungen aber weiter vor. Als vor einigen Jahren die Ausländerhatz in Deutschland entflammte, spielten wir erneut auf ein paar Festivals. Bis heute aber gilt weiter das Motto »Nicht für Parteien!« Es ist nicht mal gelogen, wenn ich sage: Auf diese Weise haben wir der SPD mal eine Million Mark eingespart.
    Irgendwann vor der letzten Europawahl traf über eine Werbeagentur die Anfrage ein, ob wir für die Sozialdemokraten aus Bonn einen Song schreiben könnten. Aus reiner Neugier signalisierten wir, wir wären unter einer Million nicht zu haben. Darauf folgte erst eine Sendepause - etwa so lang wie es braucht, sich rückzuversichern -, dann folgte der Anruf mit der Nachricht, die Sache ginge zu dem Preis in Ordnung. Ein paar ganz Schlaue im Bonner Erich-Ollenhauer-Haus hatten wohl spekuliert, daß sie über die Hosen automatisch die Jungwähler am Wickel haben würden. Einige Urnengänge später zeigte sich aber, was wir damals schon ahnten: Die Enkel vom alten Willy müssen nach so vielen Austritten wirklich jede Mark Zusammenhalten.
    Wir spielten seit Wackersdorf also auf einmal in der ersten Liga, wenn auch noch nicht auf einem UEFA-Cup-Platz. Spielten auf weiteren Festivals mit Musikern, für die Campi und ich vor ein paar Jahren noch Plakate an Bauzäune geklebt und Stuhlreihen aufgestellt hatten. Plötzlich wurden wir als mündige Bürger und fähige Musiker akzeptiert, und es war irgendwie zu spät geworden, uns das dauernd zu verbitten.
    In Garching bei München und im tschechischen Pilsen spielten wir mit Konstantin Wecker, Haindling, den Einstürzenden Neubauten, Alla Pugatschowa und Udo Lindenberg zugunsten des Olof-Palme-Marschs für ein atomwaffenfreies Europa, den die Deutsche Friedensgesellschaft/Vereinigte
    Kriegsgegner organisiert hatte. Was so gut klang, war in Wirklichkeit ein doppeltes Desaster. In München hatte der örtliche Veranstalter ein Chaos geschaffen. Keiner blickte durch, wer wofür zuständig war; die Ordner hatten Paranoia, daß irgendein Fan auch nur einen Ellbogen auf die Bühne legte - die Neubauten lieferten sich mit ihnen deshalb ein mittleres Handgemenge. Und irgendwann in dieser Zeit war der Veranstalter, der die Bands wegen der Löhnung ihrer Reisekosten ständig vertröstet hatte, mit sämtlichen Tageseinnahmen verschwunden.
    Beinahe sämtlichen. Als wir wieder einmal in den aufgestellten Container am Festival-Gelände trabten, um unserer Gage nachzusetzen, fanden wir eine Kassette voller Münzen und Scheine - und niemand in Sicht, dem sie gehören könnte. Es hieß Nehmen oder dem Nächsten lassen - aber am nächsten waren wir uns immer selbst. Wecker hätte alles verkokst, Lindenberg alles versoffen, und die Milchmänner von Haindling hätten es gespart - alles nicht das Richtige. Es war eine Art Ausfallhonorar. Auf dem Hotelzimmer stellten wir fest, daß etwa achttausend Mark in der

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