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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Toten Hosen
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dritte koscher ist. Man hofft jedes Mal wieder, daß man gerade den einen vor sich hat, mit dem es Sinn macht - und nicht einen von den anderen, die sich wie im Restaurant aufführen.
    »Tja, dann erzählt doch mal was über euch. Was gibt’s denn Neues? Wir können ja nicht immer dasselbe bringen.«
    »Also: Campi ist zu den Kapuzinermönchen übergelaufen, oder waren es diese Affen, Andi vögelt mit Naomi Schiffer, und Kuddel fordert im Oktober Axel Schulz heraus. Und die Musik ist total anders geworden. White Trash mit Cajun- und Zydeco-Einspritzern, von Brian Eno in Albuquerque und Seattle abgemischt... Oder willst du die Wahrheit erfahren ?«
    Bad, bad Brain. Wer uns übel wollte, konnte die »Learning English« auch anders verstehen. Und das kam auch verschiedentlich so. »Jetzt sind sie von der deutschen Sprache ab«, »Jetzt schielen sie auf den internationalen Markt« - was immer man sich an seltsamen Kommentaren zu dem Album zusammenphantasieren konnte, hat es ab November '91 tatsächlich gegeben. Aber wir wußten, warum es veröffentlicht wurde, das war entscheidend. Wir selbst waren es auch, die von der Arbeit daran am meisten profitierten. Wir wußten endlich wieder, worauf es ankam, nachdem wir Leute wie Johnny Thunders und Joey Ramone im Studio erlebt hatten.
    In Deutschland gibt es eine gewisse Art, über alle denkbaren Nebenaspekte einer Sache zu brüten, bevor man richtig beginnt. Deutsche Leistungssportler haben drei Ernährungstabellen aufgestellt, bevor sie einmal zum Training gehen, und deutsche Musiker zerbrechen sich den Kopf über ihr Image, ihre Tantiemen, und vor allem über den Sound ihrer Musik. Von morgens bis abends feilen sie daran, wie die Snare-Drum ihres Trommlers abgenommen werden könnte und bis sie damit fertig geworden sind, haben sie ihre Songidee vergessen. Auch wir waren von diesem Virus angesteckt, der einen meistens befällt, wenn man gerade keine großen Eingebungen hat - du feilst dann an deinem Dünnpfiff, um dich von deiner Mittelmäßigkeit abzulenken. Da trafen wir, genau im rechten Moment, Joey, Johnny, Arturo und die anderen, und die legten einfach los. Es war ganz simpel: Schließ dich an den Saft an, dreh auf und laß es raus - und scher dich nicht zuviel um alles übrige!
    Der neue alte Geist war wieder in uns, als wir Weihnachten '91 an zwei aufeinander folgenden Tagen zum Heimspiel in die Düsseldorfer Philipshalle luden. Zusammen mit vielen Gaststars des Albums im Vorprogramm trug er uns durch mehrere Dutzend Konzerte, die wir vom Frühjahr bis in den Sommer hinein zwischen Zürich und Seinäjoki/Finn-land gaben. Das englische Album hatte seinen Anteil daran, daß wir in London das berühmte »Marquee« ausverkauften. In diesem Pantheon der populären Musik flößten einem gerahmte alte Handzettel mit Ankündigungen aller großen Bands, von den Yardbirds und The Who bis The Jam, Stolz und Respekt ein. Das englische Album war es auch, das uns die Einladungen zum skandinavischen Festival-Sommer einbrachte - lange Tage in klarer Juni-Luft in Seinäjoki, Oslo, Roskilde und Hedemora.
    Es war der längste Tag des Jahres in Norwegen, Ende Juni, als wir mit dem Tourbus zum Oslo-Fjord fuhren, in einen dieser kleinen, idyllischen Vororte im Pippi-Langstrumpf-Look. Wir waren auf LSD und glotzten die Mitternachtssonne an; keine Ahnung, wie lange wir so im Bus saßen und diesen Anblick in uns aufsaugten - vier Minuten, vier Stunden? Irgendwann kamen wir an einem Bungee-Sprungturm vorbei, den wir in dem Zustand natürlich auch testen mußten. Im schwedischen Hedemora hatten wir dann mit Faith No More, Sator und den Leningrad Cowboys immer noch ein paar Gefährten, mit denen wir uns in die Dinge hineinstürzen konnten - man traf sich auf den Festivals immer wieder. Mit Trips in andere Länder ist es ja wie mit Drogenreisen ins Innere: Du bist ein anderer, wenn du von dort zurückkommst.
    Wir waren auf dieser Tour doppelt so gut gewesen wie wir es angenommen hatten, aber erst halb so reich und sexy, wie andere es von uns glaubten. Früher hatte es kaum Mädels vor unseren Türen gegeben, weil uns niemand für etwas Besonderes hielt, nur weil wir in einer unbekannten Band spielten. Inzwischen gab es kaum welche, weil alle annahmen, wir seien sowieso versorgt. Auch das größere Geld mußten wir weiter anderswo machen als auf Tour.
    Zugegeben, die halbjährlichen Abschläge für die Plattenverkäufe, die auf unserem Bandkonto landeten, ließen Herrn Schumpfle von der

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