Bis zum bitteren Tod (German Edition)
Cabot-Familie, treffen. Der vergangene Abend war die letzte Gelegenheit gewesen, einen draufzumachen. In den nächsten vier Wochen, wenn der Eigner und seine Gäste an Bord waren, würde er keinen Tropfen Alkohol mehr anrühren. Was seinen Zustand hier und jetzt natürlich nicht verbesserte. Schließlich fühlte sich sein Kopf an, als wäre er von einer Lenkrakete getroffen worden.
Die leisen Motorengeräusche des Schlauchboots hatten ihn geweckt. Dabei waren es nicht so sehr die Geräusche gewesen, sondern die Vibrationen der Luft. Bill war als ehemaliger U-Bootfahrer, Petty Officer der US-Navy, in New London, Connecticut, stationiert gewesen, und wie allen U-Bootfahrern war es ihm in Fleisch und Blut übergegangen, ständig auf alles Mögliche zu lauschen: auf die leiseste Veränderung des regelmäßigen Stampfens der Maschinen, Veränderungen des Luftdrucks, die kleinsten Vibrationen der Welle, das ferne Rattern eines unachtsam verstauten Werkzeugkastens.
Ravis Außenborder sorgte für eine solche Veränderung, bei der Bill Stannard die Augen aufschlug. Er brauchte einige Sekunden, bis er wieder wusste, wo er sich befand und ob er wirklich noch am Leben war. Aber dann hob er den pochenden Schädel und erkannte backbords über den Bug ein Schlauchboot, das langsam durch den Hafen fuhr.
Am Steuer befand sich ein Mann mit einer Wildlederjacke, was hier irgendwie fehl am Platz wirkte. Wildlederjacken gehörten in die Knightsbridge in London, in die Grafton Street in Dublin oder nach New York. Aber hier draußen trugen Seeleute Seemannskleidung, Südwester, keine Wildlederjacken.
Bill war irritiert, gleichzeitig war ihm aber so grottenschlecht, dass er die Augen sofort wieder schloss. Er überlegte, ob er aufstehen und nach unten gehen sollte, um sich einen Kaffee zu machen und in seine Koje zu hauen. Aber dazu fühlte er sich zu schwach, weshalb der Hamas-Terrorist auf den Decks der vertäuten Jachten keinerlei Bewegung wahrgenommen hatte.
Ravi ging mit seiner Ledertasche zum Dorf hoch, kam an O’Sullivans Bar vorbei und schlug dann den Weg zur Küstenstraße ein, die nach Goleen, Schull, Ballydehob an der Spitze der Roaring Water Bay und schließlich nach Skibbereen führte.
Das war sein Ziel. Die Hamas-Planer hatten festgelegt, dass er die 23 Kilometer nach Skibbereen zu Fuß gehen sollte, von dort konnte er einen Bus nehmen, ohne allzu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und Zeit zu verschwenden. Es gab zwar einen Bus von Schull nach Skibbereen, doch der fuhr nur zweimal am Tag. Die Verbindungen von Skibbereen nach Osten wurden wesentlich öfter bedient.
Für die 23 Kilometer veranschlagte er ungefähr dreieinhalb Stunden, falls er gut sechs Kilometer in der Stunde schaffte. Dann wollte er den Bus nach Waterford nehmen und den Rest des Weges mit Bus und Bahn zurücklegen. Er hatte sich auf den 23-Kilometer-Marsch eingelassen, als er sich jetzt aber an den langen Anstieg zur Anhöhe über den Klippen machte, wo vor wenigen Tagen noch Shakira die überwältigende Aussicht genossen hatte, fühlte sich selbst General Rashud etwas eingeschüchtert.
Entschlossen machte er sich auf den Weg und stieg den Berg hinauf. Niemand hatte sich im ersten Schein der irischen Morgendämmerung blicken lassen, und auch jetzt, im hellen Tageslicht, war noch niemand zu sehen. Bill Stannard weit unten auf dem Vordeck hatte sich nicht mehr gerührt. Und nichts rührte sich, als Ravi die Höhe erreichte und nach dem Verkehrsschild nach Goleen Ausschau hielt. Er marschierte die hochgelegene Küstenstraße entlang und sah dabei gelegentlich nach rechts, wo sich ihm ein spektakulärer Ausblick auf den Fastnet-Leuchtturm, auf Cape Clear und die Carbery’s Hundred Isles bot.
Irgendwo dort draußen entfernte sich die iranische Kilo von der Absetzstelle. Wehmütig dachte Ravi an die angenehmen Treffen mit dem Kapitän und dem Navigationsoffizier beim Frühstück, an das wohlige Gefühl der Sicherheit, den heißen Kaffee und die Süßigkeiten. Jetzt hatte er noch nicht einmal eine Flasche Wasser bei sich und musste alle Läden meiden. In ländlichen Gebieten wie diesem fallen Fremde sofort auf, man erinnert sich an sie.
Die zerklüftete Landschaft überraschte ihn. Vor ihm erhoben sich die Berge, die Straße vollführte enge Kehren. Eine Landschaft wie diese hatte er noch nie gesehen. Genauso gut hätte er sich im 18. Jahrhundert befinden können; alles, was auf modernere Zeiten hingedeutet hätte, fehlte.
Da es im Westen von Cork
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