Bis zum bitteren Tod (German Edition)
wissen, dass um sechs Uhr morgens auf der Küstenstraße ein Fremder in Wildlederjacke unterwegs gewesen war, der offensichtlich Lügen verbreitet und behauptet hatte, mit Leuten befreundet zu sein, die es gar nicht gab.
Es war ausgeschlossen, auf irgendwelche Bewohner von Crookhaven zu verweisen, ohne dass der Bauer wusste, dass er log. Nachdenklich ging Ravi zum Pick-up und tat so, als hätte er einen platten Reifen entdeckt. Halb vom Wagen verdeckt, fasste er in seine Tasche und zog die Autohandschuhe heraus.
»Jerry, ich glaub, Sie haben hier ein kleines Problem«, sagte er. »Dieser Reifen ist platt.«
»Der hintere?«, erwiderte der Ire. »Lassen Sie mal sehen.«
Er kam zu Ravi. Der Hamas-Terrorist packte sein Kampfmesser und hielt es umgekehrt, sodass er den Griff als stumpfen Gegenstand einsetzen konnte.
Ravi beugte sich zum Reifen hinunter. Jerry O’Connell trat zu ihm. »Der Reifen sieht mir doch ganz in Ordnung aus«, sagte er – die letzten Worte, die er äußern sollte. Denn in diesem Augenblick schnellte Ravi hoch und schlug wie eine Kobra zu. Er rammte Jerry den Messergriff zwischen die buschigen Augenbrauen. Die Schädelplatte splitterte; dann ließ er das Messer fallen und schlug mit der Handkante gegen Jerrys Nasenbein und trieb ihm die Nasenscheidewand ins Gehirn.
Ravi Rashud hatte mit einem klassischen SAS-Schlag Jerry O’Connell getötet. Der irische Bauer war tot, bevor er am Wegesrand zusammensackte, sein Herz hatte aufgehört zu schlagen, bevor er ins spärliche Gras von West Cork fiel. Er war zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen.
KAPITEL NEUN
Nun war Eile geboten. Rechts fiel das Land steil zum Meer ab. Ravi beschloss, den Toten den Abhang hinunterzurollen und darauf zu hoffen, dass er sich irgendwo zwischen den Sträuchern verfing und von oben nicht mehr zu sehen sein würde.
Er vergewisserte sich, dass kein Fahrzeug auf ihn zukam, schleifte den Bauer an den Abgrund und versetzte ihm einen Stoß. Der Tote rollte etwa fünfzehn Meter weit hinunter und blieb an einem noch immer in Blüte stehenden Stechginster hängen. Ravi starrte nach unten. Der Leichnam war deutlich zu erkennen.
Er ließ die Tasche neben dem Pick-up, stieg den Hang hinunter, löste die Leiche, zerrte sie um den Strauch herum und verkeilte sie an der talwärts gelegenen Seite. Wenn man nicht genau hinsah, war sie von oben kaum noch zu erkennen. Nach Ravis Einschätzung aber würde jemand genauer hinsehen, noch bevor dieser Tag rum war.
Er trat den Rückweg an und überlegte, wie er fortkommen sollte. Zu Fuß oder mit dem Wagen? Schließlich setzte er sich in den Pick-up, ließ den Motor an, legte den Gang ein und fuhr los. Hinten schepperten die Milchkannen. Für die nächste halbe Stunde, bevor Jerry oder sein Wagen vermisst wurden, sollte er nichts zu befürchten haben.
Es gab nur eine Richtung, die er einschlagen konnte, die nach Goleen, durch das Dorf und weiter nach Schull, Ballydehob und Skibbereen. Er behielt die Handschuhe an und kam am West End Hotel in Schull vorbei, wo – was er nicht wusste – die Woche zuvor seine Frau abgestiegen war.
Nur eine Person auf der gesamten 23 Kilometer langen Strecke bemerkte ihn. Patrick O’Driscoll, der Fahrer des Milchlasters. Er kam soeben aus Murphy’s Breakfast Bar in Goleen und sah O’Connells Pick-up mit den üblichen vier Milchkannen durchs Dorf fahren, vorbei an der Milchsammelstelle und weiter in Richtung Schull. Das fand er seltsam, nahm aber an, Jerry hätte noch was anderes zu erledigen. Trotzdem, dachte er sich, er sollte mal lieber schleunigst zurückkommen, sonst bin ich fort, und dann muss er selber nach Skibbereen fahren.
Ravi näherte sich mittlerweile dem Marktflecken Skibbereen und bereitete sich darauf vor, Jerrys Pick-up loszuwerden. Knapp einen Kilometer außerhalb der Ortschaft bremste er ab und bog in einen Feldweg ein, der zu einem Haus hinter einem Wald führte. Ravi steuerte geradewegs zwischen den Bäumen hindurch und hielt nach etwa 300 Metern in einem dichten Birkengehölz an. Er stellte den Motor aus, packte seine Tasche und ging zu Fuß nach Skibbereen. Es war 7.15 Uhr, in der Stadt war so gut wie nichts los.
Ravi hatte seit dem Abend zuvor nichts mehr gegessen und seit einigen Stunden nichts getrunken. Der Anziehungskraft des Shamrock Café konnte er nicht widerstehen. Er zog seine Jacke aus, mit der er in der ländlichen Gegend unweigerlich auffiel, stopfte sie in die Tasche und betrat das Lokal, wo er Toast,
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