Bis zum bitteren Tod (German Edition)
die St. James’s Street … gehen wir doch hoch und schauen es uns an.«
Ravi folgte ihr hinaus in den Flur. Mit dem Aufzug fuhren sie zwei Stockwerke höher. Vom Zentralbereich gingen mehrere Türen ab, zwei von ihnen standen offen, Geräusche drangen heraus. In zwei weiteren brannte Licht, die letzte war verschlossen.
Judith führte Ravi in ein mit Teppichboden ausgelegtes Büro mit einem hellen, nach Süden weisenden Fenster. Ravi besah sich die Verriegelung. Er wollte lieber nicht fragen, ob er das Fenster kurz öffnen dürfe. Die Jalousie davor konnte man ganz offensichtlich zuziehen. Im Büro standen ein Schreibtisch und ein Stuhl, die er laut der Maklerin übernehmen könne. Die letzten Mieter hätten die Möbel und eine Mietschuld von mehreren Hundert Pfund hinterlassen.
»Sie hatten es mit dem Auszug sehr eilig«, sagte sie. »Sie waren schon eine Woche fort, bevor wir überhaupt bemerkten, dass sie verschwunden waren.«
Ravi lachte. »Wie viel haben die für das Büro gezahlt?«
»Etwas mehr als 3000 im Monat«, erwiderte sie. »Aber wir sind mit der Miete seitdem nach unten gegangen. Für 2200 können Sie es haben, ebenso viel Kaution, wenn Sie es, wie Sie gesagt haben, für ein halbes Jahr mieten wollen.«
»Ich kann sofort einziehen?«
»Oh, gewiss. Zum Gebäude gehört ein Reinigungsdienst. Das Büro wurde gründlich geputzt, der Teppich mit Dampfreiniger behandelt und der Schreibtisch ausgeräumt. Telefon ist angeschlossen, es gibt zentralen Internetanschluss, die Toilette ist gleich gegenüber auf der anderen Gangseite, daneben befindet sich die Klappe für den Verbrennungsofen. Dort können Sie Ihren Papierkorb ausleeren, nur Papier und trockene Dokumente, keine Küchenabfälle.
Sobald Sie die Kaution hinterlegt haben, erhalten Sie von mir zwei Schlüssel plus einen für den Eingang unten. Die Türsteher sind von 7 bis 22 Uhr anwesend. Don und Reggie. Sie werden Ihnen, wenn nötig, weiterhelfen.«
»Ausgezeichnet«, sagte Ravi, der einen weiteren Blick durchs Fenster auf die dunkelblau- und goldfarbene Markise über dem Haupteingang des Ritz warf. »Genau das Richtige für meine Zwecke.«
»Sie bekommen den üblichen Mietvertrag. Sie können ihn in meinem Büro unterzeichnen, falls Sie, wie ich schon sagte, ein Empfehlungsschreiben vorlegen sowie einen Kontoauszug und, wenn Sie nicht britischer Staatsbürger sind, Ihren Pass.«
Sie kehrten zum ersten Stock zurück, wo Ravi eine hübsch gefälschte Empfehlung der ägyptischen Botschaft vorlegte, die bestätigte, dass man mit Mr. Fretheim im Zuge finnischer Handelsabkommen viele Male zusammengearbeitet und ihn als vertrauenswürdig und aufrichtig kennengelernt habe. Judith kopierte seinen ebenso gefälschten finnischen Pass und warf einen Blick auf den Kontoauszug des syrischen Botschafters, auf dem dessen Name durch Haakon Fretheim, 23 Ennismore Gardens, London SW7 ersetzt worden war.
Der Auszug wies ein Guthaben von 18 346 Pfund auf, und Ravi zahlte Judith im Voraus die Miete für drei Monate, wobei er eine American-Express-Karte zum Einsatz brachte, die ursprünglich auf den Militärattaché der jordanischen Botschaft in Paris ausgestellt worden war.
Die Maklerin überreichte ihm zwei Büroschlüssel, den Schlüssel für den Gebäudeeingang könne er sich von Reggie geben lassen, der heute die Morgenschicht habe. »Ich werde ihm Bescheid sagen.«
Ravi gab Judith Birchell die Hand, ging nach unten, plauschte kurz mit Reggie. Dann verließ er das Gebäude und ging zur Ecke Dover Street. Er tat einen Schritt nach vorn und sah hinauf zum Fenster seines neuen Büros. Er stand genau darunter, dann ließ er den Blick hinüber zum Haupteingang des Ritz schweifen. Er überquerte die Straße und maß mit seinen Schritten die genaue Entfernung von der Außenwand seines Büros bis zu den sechs weißen Steinstufen, die zur Mahagoni-Drehtür des Ritz führten: 54 Meter, dazu noch sechs für die Höhe seines Bürogebäudes. 60 Meter Entfernung also, in einem Winkel von 15 Grad. Für das österreichische Scharfschützengewehr war das so gut wie nichts.
Schnell erfasste er den Eingang zum Ritz – das geschwungene Messinggeländer zu beiden Seiten der Treppe, die beiden immergrünen Topfpflanzen, die wie Wächter links und rechts der Stufen standen, der abgerundete Baldachin der Markise. Und direkt vor dem Hotel die Anfahrtszone, beherrscht von den zylinderbewehrten Türstehern, die die ankommenden oder abreisenden Gäste mit der Autorität eines
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