Bis zum bitteren Tod (German Edition)
Street zurück. Am Freitagabend war er um 20 Uhr erneut dort, verließ dann um 21.30 Uhr sein Büro, noch immer mit Jeans, T-Shirt und Turnschuhen bekleidet, noch immer mit seiner blonden Perücke, dem Oberlippen- und Ziegenbärtchen. Noch immer befleißigte er sich eines, wie er fälschlicherweise meinte, finnischen Akzents, der aber eher an Trinidad als an Helsinki erinnerte.
Trotzdem wurde der Agrarmarketing-Experte Haakon Fretheim aus Nordeuropa bald zu einem vertrauten Anblick in dem Gebäude, wurde als fleißiger, vielbeschäftigter und höflicher Gentleman wahrgenommen, der seltsame Arbeitszeiten hatte.
9.00 Uhr, Samstag, 28. Juli
Southall, West-London
Ravi fuhr allein zur Werkstatt von Prenjit Kumar. Er parkte den Wagen an der gleichen Stelle wie beim letzten Mal und wurde vom Büchsenmacher persönlich in den Keller geführt. Dort auf dem roten Filz unter der Lampe lag ein handgefertigter brauner Lederkoffer, in dessen schwarzem Samtinneren, eingepasst in einzelne Vertiefungen, alle Teile des Scharfschützengewehrs SSG 69 lagen.
Der Lauf war oberhalb des Herzstücks des Gewehrs – Schloss, Magazin und Abzugsbügel – untergebracht. Um das Fach des Schalldämpfers waren die leichteren Metallkomponenten platziert, aus denen der neu entworfene, speziell auf General Rashuds Schulterund Armlänge zugeschnittene Schaft zusammengesetzt wurde. Im unteren Teil des Koffers gab es Fächer für sechs Patronen und das Fach für das Zielfernrohr.
»Irgendwelche Probleme?«, fragte Ravi.
»Nein«, erwiderte Kumar, »außer dass ich seit einer Woche nicht geschlafen habe.«
»Dann haben Sie sich Ihr Geld redlich verdient«, sagte Ravi. »Wollen Sie vielleicht das Gewehr zusammenbauen, dann zerlege ich es und setze es selbst wieder zusammen?«
»Natürlich«, kam es vom bengalischen Büchsenmacher. »Ich hoffe, Sie stimmen mir zu, dass Sie hier einen wunderbaren Gegenstand in Händen halten, ein Kunstwerk. Sehr leicht und sehr tödlich.«
Er holte das Herzstück aus dem Koffer und nahm dann vorsichtig, als würde er mit wertvollen Edelsteinen hantieren, den Lauf zur Hand. Geschickt schraubte er den Lauf fest und ließ die Zielvorrichtung einrasten. Dann griff er sich die Metallplatte und schraubte sie am Hals hinter dem Abzugsbügel ein, nahm zwei silberne Schaftstreben und drehte sie lediglich mit den Fingern in ihr zugehöriges Gewinde. Die obere Strebe stand waagrecht ab, die untere abgewinkelt, schloss aber bündig mit der oberen ab. Auf sie steckte er die Schaftkappe, die speziell für Ravis Schulter gegossen worden war. Ravi sah anerkennend zu.
Oberhalb des Magazins befanden sich zwei Halterungen im Abstand von zwölf Zentimetern. Auf sie setzte Kumar das Zielfernrohr und ließ es einrasten. Schließlich schraubte er den Schalldämpfer auf, hielt das Gewehr auf Armlänge vor sich und sagte bewundernd: »Schön, nicht wahr?«
Ravi nahm es ihm ab, legte es an und sah durch das Zielfernrohr aufs Fadenkreuz. Dann entspannte er sich und wiegte das Gewehr auf den ausgestreckten Händen, als versuchte er, dessen Schwerpunkt zu ermitteln. In seiner Zeit beim SAS hatte ihn dieses Gewehr – oder eines wie dieses – nie im Stich gelassen: Es hatte sich immer als äußerst genau, äußerst leise und äußerst zuverlässig erwiesen, all die Eigenschaften, die ein professioneller Scharfschütze erwartete.
Dieses SSG sah zwar anders aus, aber es fühlte sich genauso an, ein wenig leichter, aber ebenso ausbalanciert und vertraut.
»Können wir es ausprobieren?«, fragte er.
»Sicherlich«, antwortete Kumar. »Folgen Sie mir. Ich gebe Ihnen ein paar Übungspatronen.« Er ging zu einer Tür der Außenwand, öffnete sie und deutete Ravi an mitzukommen. Der Gang war hell beleuchtet. Nach etwa 20 Metern betraten sie einen Schießstand – einen langen, dunklen Tunnel, der lediglich am entfernten Ende beleuchtet war, dort, wo auf einer Staffelei eine große Zielscheibe aufgebaut war. Drähte liefen zur Zielscheibe, die 30 Zentimeter im Durchmesser maß. Vor Ravi befand sich kurz unterhalb der Schulterhöhe eine Anrichte, auf die er sich aufstützen konnte.
»Hier haben Sie fünf Patronen«, sagte Kumar. »Mal sehen, wie das Gewehr Ihnen gefällt.«
Ravi beugte sich vor und löste den speziell gefertigten Sicherheitsbügel. Er zielte sorgfältig, brachte das Fadenkreuz mit dem roten Mittelpunkt der Zielscheibe in Übereinstimmung und zog den Abzug durch. Das Ziel war 50 Meter entfernt, weshalb schwer zu
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