Bis zum bitteren Tod (German Edition)
sein Büro befand. Falls sie durch die Glastüren waren, bevor er es nach draußen geschafft hatte, säße er in der Falle.
Das Zerlegen musste schneller gehen, wenn er das nicht schaffte, würde er die Mission abbrechen. Ravi wusste jedoch, dass es zu schaffen war. Immer und immer wieder baute er das Gewehr zusammen und zerlegte es. Fast zwei Stunden lang übte er, bis ihm klarwurde, dass es vor allem auf das schnelle Entfernen des Zielfernrohrs ankam und darauf, wie fest die breite silberlegierte Schraube festgedreht war, mit der man den Schaft am Hals befestigte.
Nach einer weiteren Stunde konnte er es in 18 Sekunden zerlegen. Zwei Stunden später war er bei zwölf Sekunden angelangt. Mehr als diese zwölf Sekunden konnte er sich nicht leisten, wenn er rechtzeitig hinaus in die Freiheit der Dover Street gelangen wollte.
Am frühen Abend, vor dem Essen mit dem Botschafter, ging Ravi allein zum Einkaufen. Zu Fuß marschierte er nach Knightsbridge zu Harrods und durchstreifte die Herrenabteilung im Erdgeschoss, wo er mit seiner Mutter immer beim Einkaufen gewesen war, wenn er ein neues Tweed-Jackett für die Schule brauchte. Heute benötigte er einen dunkelgrauen Anzug, einen Blazer, einige Hemden, zwei Krawatten, Boxershorts, Socken und Schuhe.
Er brauchte eine Dreiviertelstunde, um 2500 Pfund auszugeben, die er mit seiner Amex-Karte zahlte und die irgendwann einmal über die Pariser Botschaft der jordanischen Regierung abgerechnet würden. Danach suchte er die Sportabteilung auf und kaufte einen weiten Trainingsanzug und eine Sporttasche mittlerer Größe.
Sofort entledigte er sich der grünen Harrods-Plastiktüten und packte seine Einkäufe sorgfältig in die Sporttasche, worauf er über die Sloane Street und den Cadogan Place zur Botschaft zurückkehrte. Am Abend dinierten er und Shakira mit dem Botschafter im Beisein von zwei saudischen Scheichs auf der Durchreise.
Am folgenden Morgen, dem 29. Juli, einem Sonntag, dem Tag vor Admiral und Mrs. Morgans Flug von Washington nach London, ließ Ravi den Audi aus dem Parkhaus in der Motcombe Street holen und bat einen der Botschaftsangestellten, den Wagen aufzutanken.
Gegen elf Uhr fuhren sie los. Beide waren leger gekleidet, trugen Jeans und Turnschuhe, Shakira eine blaue Bluse und eine Jeansjacke, Ravi sein schwarzes T-Shirt und die Wildlederjacke. Seine irische Mordkluft, obwohl er nicht vorhatte, jemanden umzubringen. Er erwartete an diesem Tag noch nicht einmal, jemanden zu treffen oder gar mit jemandem zu reden.
Wieder ging es nach Westen, aber nicht auf der alten A4 unter der Chiswick-Überführung. Diesmal fuhren sie auf der Überführung hinaus zum breiten, schnellen M4 Motorway, vorbei an Heathrow und weiter, bis nach etwa einer Stunde die Landschaft zu den Ausläufern der Berkshire Downs anstieg.
An der Ausfahrt 13 verließen sie den M4, fuhren auf der A34 nach Norden in Richtung Oxford und bogen schließlich zum Dorf West Ilsley ab. Alle Dörfer schienen hier in den Senken der Downs zu liegen, so dass man sie erst zu Gesicht bekam, wenn man bereits in ihnen war.
Ravi erinnerte sich noch gut an diese Landschaft. Er war oft mit seinem Vater hier gewesen, um den Rennpferden beim Training zuzusehen, für das die beiden Trainer seines Vaters zuständig waren.
Er sah noch die weiten »Prärien« von Oxfordshire vor sich, über Meilen hinweg hügeliges Land, auf dem Gerste und Weizen angebaut wurden, endlose Felder, die lediglich von schmalen Straßen durchschnitten wurden und den Rennbahnen mit galoppierenden Pferden.
Vor allem aber erinnerte er sich an die Wälder, langgestreckte, schmale Gehölze, die hoch oben auf den Anhöhen lagen. Besonders waren ihm jene oberhalb des Dorfes Lambourn im Gedächtnis geblieben. Vergleichbares hatte er nirgends auf der Welt gesehen, Gehölze, manchmal an die 400 Meter lang und keine 100 Meter breit, die wie große, dunkle mittelalterliche Burgen oben auf den Kuppen aufragten.
Er wusste nicht genau, wohin er fahren würde, das würde er erst wissen, wenn er da war. Sie durchquerten West Ilsley, dann ging es weiter, vorbei an Feldern reifender Gerste bis hinauf zum Dorf Farnborough und dann schnell hinab zur fünf Kilometer langen Stadt Wantage, wo König Alfred der Große geboren war, der größten Stadt im von Legenden umrankten Vale of the White Horse.
Von hier ging es weiter auf der Straße, die zum 103 Meter langen Scharrbild des »Weißen Pferdes« führte, das seit mehr als 2000 Jahren auf das Tal in
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