Bis zum Hals
also schwieg ich so aufrichtig ich nur konnte.
Für irgendwelche wie auch immer geartete Nachforschungen war es mittlerweile eh ein wenig spät, und die Hühnerbrühe zeigte Entschlossenheit, den Weg zu nehmen, den sie gekommen war, und obwohl im Grunde ebenfalls fest entschlossen, war ich gleichzeitig auch matt, auf eine Art, die wenig Widerspruch duldet, und dann kam die Brühe, und ich stolperte hastig ins Bad.
»Du kannst gerne hier bleiben«, versicherte ich ihr und verwies auf mein Bett, doch sie schüttelte so energisch den Kopf, dass ich keinen zweiten Anlauf unternahm.
»Das geht nicht«, befand sie, und damit war das Thema vom Tisch. Sonst hatte oder kannte sie niemanden im Umkreis mehrerer tausend Kilometer, also griff ich zum Hörer und wählte die Nummer des Handelshofs. Ich geriet an Ernst-Dieter, einen Rezeptionisten von aristokratischer Hochnäsigkeit und mein Sparringpartner aus vielen kleinen, hartnäckigen Auseinandersetzungen. Ernst-Dieter wollte, noch bevor ich überhaupt etwas äußern konnte, cash im Voraus, und es brauchte einiges an verbaler Equilibristik, um ihm klarzumachen, dass das überflüssig sei, da meine Klientin für sich selber zahlen würde, ohne es tatsächlich auszusprechen und damit der neben mir stehenden Anoushka zu Ohren kommen zu lassen.
»Aber es ist nicht wieder so eine wie kürzlich …«
»Nein«, sagte ich.
»Du weißt schon. Wie hieß sie noch …«
»Nein«, sagte ich.
»Die hier gleich am ersten Abend ihren Laden aufgemacht hat …«
»Nein, nein«, sagte ich.
»Und ihre Rechnung bei mir doch tatsächlich in Naturalien bezahlen wollte …«
»Und soviel ich weiß, hat sie das auch«, schnappte ich und meinte, in dem entstehenden kurzen Schweigen die Ohrmuschel am anderen Ende aufglühen zu spüren.
Wir nahmen den Aufzug, umrundeten ein von ausgesprochen räudigen Aussteigern und ihren meist etwas gepflegteren Hunde umringtes Lagerfeuerchen in der Tiefgarage und stiegen in den Smart.
Ich entschuldigte mich für das leicht pittoreske Ambiente meiner häuslichen Umgebung, doch Anoushka meinte nur, da, wo sie herkomme, sähe es kaum anders aus. Das Einzige, was sie wunderte, war, dass bei uns manche Leute offenbar freiwillig so lebten.
Ich lieferte sie bei Ernst-Dieter ab, musste mir einen Kommentar zu meinem Aussehen gefallen lassen (»wie ein Rückkehrer von einer Transsylvanien-Reise, haha«), schlug eine von dessen Seite dringend gewünschte Zwiesprache mit Keeper Danny aus, verabschiedete mich von Anoushka, sackte ins Auto, fuhr zurück, erbrach eine erstaunliche Lache Kaffeesatz in den Aufzug, fiel auf die Knie, keuchte eine Weile, zog mich hoch, stolperte zurück in die Tiefgarage, ging erneut zu Boden und musste mir schließlich ausgerechnet von zwei bis zur Reduktion auf gutturale Lautäußerungen zugedröhnten Autonomen in den Wagen helfen lassen.
An die Fahrt als solche habe ich keine Erinnerung, doch ich weiß noch, dass ich vor der Notaufnahme des Katholischen Krankenhauses die Autotür aufstieß und Kopfsteinpflaster an meiner Schläfe fühlte.
*
Ein junger Assi, aber immerhin ein Arzt und nicht der übliche Nägel kauende Zivildienstleistende zupfte mir am Morgen des dritten Tages die Schläuche aus dem Wanst, die ganze Zeit rührend besorgt um mein Wohlbefinden.
Ich grunzte und ächzte in tapferer Zurückhaltung, war mit den Gedanken eh woanders.
Anoushka wohnte nicht mehr im Hotel, so viel hatte ich inzwischen in Erfahrung gebracht. Doch das war auch alles.
Und Jochen Fuchs, diese als Privatdetektiv maskierte Null, hatte nicht den geringsten Schimmer, wo sie hergekommen und wo sie hingegangen sein könnte. Wohl noch ein bisschen unter dem Einfluss verschiedener postoperativer Medikamente hatte ich ihm daraufhin ein paar Wahrheiten über sich selbst in den Hörer gespuckt, die unser Verhältnis für den besten Teil der uns verbleibenden Tage belasten dürften.
Nachdem der Arzt gegangen war, desinfizierte und verpflasterte mir Schwester Agnes die Operationsnaht und die beiden Löcher, die die Schläuche hinterlassen hatten.
Ich bat sie, mir auch die Nadel vom Tropf aus der Armbeuge zu ziehen, weil ich endlich aus dem Bett wollte, doch sie drückte mich nur sanft zurück ins Kissen, schnallte mir eine Bandage um den Bizeps, pumpte sie auf und tastete dann eine ganze Weile an meinem Handgelenk herum.
»Mit Ihren Vitalzeichen, Herr Kryszinski, gehen Sie so bald nirgendwohin«, meinte sie dann.
»Was soll das heißen?«,
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