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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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veranlagt sind?«
    Ich zuckte die Achseln. »Was ist mit meinem Rezept?«
    Dr. Korthner wies mit seiner freien linken Hand auf seine beschäftigte Rechte, von der es troff. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, nachher noch mal vorbeizukommen?«
     
    Ich schaffte es pünktlich zur nachmittäglichen Ärzteschau zurück aufs Zimmer. Auf Station 5 ist zweimal täglich Visite. Das dient nicht so sehr dem Wohl des Patienten als dem des Chefarztes, der für das kurze Reinschneien und Zähnefletschen erkleckliche Beträge in Rechnung stellen kann. Station 5 gehörte Professor Dr. Dr. Petersen, dem üblichen unentschlossen zwischen Altersmilde und Herrschsucht schwankenden Göttervater, der die Patienten immer nur das Gleiche fragte und bestenfalls einen müden Furz auf ihre Antworten gab.
    Ich hockte mich vorsichtig aufs Bett, die Tür flog auf, und » Wer hat den Patienten mobilisiert?« herrschte der Oberdoktor die erbleichende Entourage in seinem Abwind an.
    Das haben sie nicht so gern, die Herren Chefärzte, wenn irgendetwas sie daran hindert, nur kurz »Na, wie fühlen wir uns?« in den Raum zu werfen und gleich wieder rauszustürmen, ehe der Patient auch nur Zeit zum Luftholen gehabt hätte.
    »Ich«, antwortete ich. »Weil, ich würde gerne entlassen werden«, schickte ich hinterher und bereute die Wortwahl augenblicklich. Man sollte immer darauf achten, nie die Selbstbestimmung aus der Hand zu geben.
    Dr. Dr. Petersens entrüstetes »Das ist völlig ausgeschlossen« war dann auch die verdiente Antwort.
    Ein belegtes Bett ist ein einträgliches Bett, und der Oberarzt musterte mich, als würde er zur Not auch nicht vor Gewalt zurückschrecken, um mich in meins zurückzubefördern.
    »Da täuschen Sie sich«, widersprach ich ruhig. »Ich gehe. Jetzt gleich.«
    Er blickte verwirrt, geradezu aufgescheucht zur Stationsschwester, die ihm ein Datenblatt unter die Nase hielt und etwas dazu raunte. Das führte zu einem Anfall akuter Heiterkeit bei dem Doktor, die sich sofort auf die ganze weißbekittelte Horde übertrug.
    »Das kann ich unmöglich verantworten«, entschied er. »Lassen Sie uns in zehn, vierzehn Tagen noch mal darüber sprechen.« Sprach’s und machte kehrt und die Horde mit ihm.
    Damit hatte ich rechnen müssen und mir deshalb vorher schon etwas zurechtgelegt, argumentativ.
    »Ich bin nicht krankenversichert«, ließ ich ihn halblaut wissen. Sofort verhielt er den Schritt und sein Lächeln erstarb. »Und obendrein vollkommen pleite.«
    »Ja, aber, aber«, stammelte er und wies mit hilfloser Geste auf das Datenblatt in Schwesternhand.
    »Ich hab ein bisschen geflunkert bei meiner Einlieferung«, bekannte ich, und meiner Entlassung auf eigene Verantwortung stand plötzlich so gut wie nichts mehr im Wege.
     
    »Eigentlich hätte ich ihn abschleppen lassen können«, sagte der Kahlkopf von Pförtner säuerlich und ich nickte. Er hatte den pessimistischen Ausdruck von jemandem, der hier tagaus, tagein die Siechen herumschlurfen sieht und sich selber schon nicht mehr so richtig frisch fühlt. »Normalerweise hätte ich ihn abschleppen lassen müssen. «
    Ich nickte.
    »Da habe ich klare Direktiven, was das vorschriftswidrige Abstellen von Fahrzeugen in der Auffahrt zur Notaufnahme angeht.«
    Ich brannte vor Ungeduld, hier wegzukommen, hatte aber gleichzeitig mit dermaßen flackernden Vitalzeichen zu kämpfen, dass mir ein Päuschen hier an der Pförtnerloge regelrecht angeraten erschienen war. Also nickte ich weiter. Lächelte sogar ermutigend. Denn das Päuschen war inzwischen vorbei und meine Vitalzeichen so stabil, wie ich es zurzeit nur erhoffen konnte.
    »Doch da ich bei Ihnen ja, wie soll ich sagen, Mutwilligkeit ausschließen konnte, hab ich mal ein Auge zugedrückt.«
    Ein bisschen mehr Saft in den Adern und ich hätte ihm liebend gerne das andere auch noch zugeklopft, doch so blieb mir nichts, als erneut zu nicken. Alles, was ich wollte, war die Aushändigung des Schlüssels und eine halbwegs präzise Angabe, in welcher Richtung ich die kleine Scheißkarre suchen musste.
    »Ich hab ihn dann selber rumgefahren und im Innenhof abgestellt.«
    Okay, das eine haben wir, dachte ich. Mein Lächeln, fiel mir auf, bekam allmählich etwas Glasiges.
    »Was ist denn mit Ihrem Airbag passiert?« Das ist jetzt eine dieser Fragen, bei denen jeglicher Ausdruck aus meiner Mimik fällt. Ich meine: Das Ding hängt schlaff aus dem Lenkrad. Was kann, nach menschlichem Ermessen, alle Parameter miteinander in Bezug gebracht,

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