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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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wohl damit passiert sein?
    » Peng und Pfffft « , antwortete ich schließlich, wo’s ihn schon so interessierte.
    »Sie werden Ihren Schlüssel haben wollen«, ging ihm nach einer weiteren Pause auf, und ich fragte mich, ob er möglicherweise darauf wartete, dass ich ihm Geld zusteckte. In dem Fall würde ich mir was Bequemes zum Sitzen suchen müssen.
    Schließlich griff er aber in eine Schublade und reichte mir ohne weiteres Zeremoniell den Schlüssel rüber.
    »Eigentlich sind die Parkplätze im Innenhof ausschließlich fürs Personal reserviert«, ließ er meine Kehrseite noch wissen, und ich sagte »Ja, ja« und trollte mich.
     
    Bestimmte Dinge erledigt man einfach nur deshalb, weil einem die Vorahnung sagt, dass man in absehbarer Zukunft keine Zeit dafür finden wird. Deshalb nahm mein Weg vom Katholischen nach Hause den kleinen Abzweig über die Ruhr nach Broich.
    Heiner Sültenfuß hielt eine Zündspule mit gestrecktem Arm und am Ende gespitzten Fingern von sich weg und versuchte, die Seriennummer zu entziffern, als ich reinkam.
    »Kristof, Kristof, Kristof«, murmelte er, griff in eine Schublade, holte eine Brille hervor, setzte sie auf, »ist datt ’ne Scheiße, wenn du alt wirss.«
    »Na komm, Heiner«, entgegnete ich, »bist doch ’n Mann in den besten Jahren.«
    Er las die Nummer ab, notierte sie mittels eines daumenkurzen Bleistifts auf einem Block mit reichlich Altöl-Patina.
    »Außerdem sagt Webb Wilder immer: ›Trag eine Brille, wenn du eine brauchst‹.«
    »Ja, echt?« Heiner sah mich abwesend an, wollte sich den Bleistift hinters Ohr klemmen, wo der mit dem Bügel der Brille kollidierte, und nahm sie ärgerlich wieder ab. Faltete sie zusammen und steckte sie in die Brusttasche seines grauen Kittels.
    »Diesmal, Kristof«, sagte er mit Grabesstimme und setzte sich in Bewegung, raus auf seinen Platz, winkte mir, ihm zu folgen, »diesmal ist es endgültig.«
    Und wir wussten beide, wovon er sprach.
     
    »Trotzdem, Heiner.«
    »Kristof, jetzt guck doch mal, wo das linke Vorderrad steht, und dann komm hier rum und guck, wo das rechte sitzt. Der Wagen ist krumm, ich sag’s dir!«
    »Trotzdem, Heiner.«
    »Damit musst du auf die Richtbank. Weißt du, was das kostet? Von den Teilen ganz zu schweigen.«
    »Trotzdem, Heiner.«
    »Kristof, wenn das ’ne Celica wäre … Ach, selbst dann. Das ist und bleibt ein uralter Toyota mit ’nem Hammer-Unfallschaden. Da gibt dir keiner mehr ’ne müde Mark für.«
    »Trotzdem, Heiner. Das ist ein Klassiker. Den kann ich schon nächstes Jahr mit H-Kennzeichen fahren.«
    Heiner blickte in den Himmel und hob auch beide Hände in diese Richtung.
    »Kristof, für ’n H-Kennzeichen, da gibt es Bedingungen. Und ein Auto wie deins, das nur noch von Prestolit, Klebeband und Rost zusammengehalten wird, das … das …«
    »Trotzdem, Heiner.«
    Er seufzte. »Also, ’nen Flügel vorne links, den hab ich, glaub ich, selber noch. Aufgehoben. Nur für dich. Und was den Rest der Teile angeht, da kann ich ja mal telefonieren.«
    Wir gingen zurück zu seiner Baracke.
    »Auch wennse mich mal wieder alle für bekloppt erklären werden.«
     
    Die Tür schwang nach Anstupsen nicht auf. Selbst Dagegenlehnen bewegte sie nicht. Ich war baff. Das musste das erste Mal in der Geschichte dieses meines Mietverhältnisses sein, dass der Hausmeister etwas repariert hatte, ohne dass ich vorher gezwungen gewesen wäre, ihn persönlich an den fettigen Haaren aus seinem Loch und mit dem Säuferzinken bis direkt vor den Schaden zu zerren.
    Ich sperrte auf, trat ein, sagte: »Oh, Entschuldigung« und trat zurück. Da erreichte mich ein Geräusch, das an nasse Kinderfinger auf prallen Luftballons denken ließ, und ich linste noch mal vorsichtig ums Türblatt herum.
    Nach der Zwangsräumung meiner vorherigen Wohnung bin ich in dieses Appartement gezogen, weil man irgendwas braucht, wo man pennt, und weil man einen Briefkasten haben muss, damit einen die ganzen Mahnungen auch sicher erreichen. Mir war von Anfang an klar gewesen, glasklar, über jeden Zweifel erhaben, dass es sich nur um einen kurzen Aufenthalt handeln würde, eine Übergangsphase zu einer besseren Zukunft in einer schöneren Umgebung, wo Vögel piepten und Bienen summten und wo sich jemand freuen würde, wenn ich nach Hause komme, jemand, der mehr in mir sieht als nur einen zu unentschuldbarer Trägheit neigenden Dosenöffner und Scheißboxreiniger. So was eben. Was man sich halt so vom Leben erwartet. Ein Gedanke, den ich

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