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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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sich naturgemäß der häusliche Krempel ansammelt wie Treibgut an der Flutlinie.
    Also ging ich raus, umrundete die Hütte und scheuchte den Greis auf, gerade als er dabei war, einen staubigen Kasten mit leeren Bierflaschen zu inspizieren.
    Eine davon pfiff mir am Ohr vorbei und zerbarst an einem Baum, ohne dass ich den Akt des Werfens als solchen registriert hätte. Der alte Knochen war schnell, der Blick seiner schmalen Augen scharf, und obwohl mir leise schwante, dass er meine Omme mit Absicht verfehlt hatte und mir der nächste Wurf den Kussmund plätten könnte, schwoll mir einfach nur der Kamm. Es braucht mehr als einen flaschenschleudernden Rentner, um Kryszinski von der Spur einer interessanten Menge Opiats abzulenken.
    »Okay«, schnappte ich, zog meine Brieftasche aus der Hosentasche, ließ das blödsinnige Wappen aufklappen und fragte nur: »Papiere?«
    Der Alte spuckte auf den Boden, fluchte kehlig, machte auf der Hacke kehrt und rannte mit flappenden Sandalen den Trampelpfad hinunter und außer Sicht.
    Für einen Moment stand ich da und wusste nicht recht, wie ich mich fühlen sollte, dann steckte ich die Brieftasche weg und widmete mich einfach wieder meinem Vorhaben.
    Die Ansammlung von Krempel war noch einigermaßen überschaubar. Ein paar Klappstühle, ein ausgebleichter Sonnenschirm, der erwähnte Bierkasten, ein paar Kunststoffkanister, die unvermeidliche Kühlbox und die ebenfalls unausweichliche Anzahl rostiger Holzkohlengrills gammelten vor sich hin, alles dick bedeckt mit dem Staub eines langen, trockenen Sommers. Dazu kamen noch zwei große Gasflaschen in ihrem Ständer, und das war’s auch schon. Das jetzt alles auseinanderpflücken zu wollen war weder einladend noch besonders sinnvoll. Schichten von Staub kann man nicht restaurieren. Das ganze Zeugs hier war eindeutig seit Monaten nicht mehr bewegt worden, die Staubdecke unberührt, mit Ausnahme der der Bierkiste. Und, wie mir nach längerem Stehen und Starren auffiel, einer kleinen ovalen Stelle oben an der Wölbung der rechten der beiden Gasflaschen. Dort glänzte matt der graue Lack. Ich trat heran, drückte meinen Daumenballen auf die Fläche, und er passte genau. Also drückte ich ein wenig fester, und die stählerne Flasche kippte nach hinten, bis gegen die Barackenwand. Ich beugte mich hinunter, tastete mit spitzen Fingern und zog einen flachen Gefrierbeutel unter dem Gasbehälter hervor. Ich hob ihn ins Licht. Er enthielt einen braunen Briefumschlag und ein Handy der Firma Nokia.
    Gleichzeitig überkam mich dieses unerklärliche Gefühl, beobachtet zu werden.
     
    »Ein grauer Audi« ist als Beschreibung ähnlich überfrachtet wie einer Billardkugel das Attribut ›rund‹ mitgeben zu wollen. Alle Audis sind grau, mit Metalleffekt. Die Skala reicht dabei von hell bis dunkel, doch wie gesagt, ausnahmslos in Schattierungen von Grau, was die Parkplätze der Niederlassungen dieser Marke häufig wie unbewusste Kopien des Berliner Holocaust-Mahnmals erscheinen lässt.
    Warum mir ausgerechnet dieser A6 auffiel, war deshalb im ersten Augenblick nicht zu sagen. Doch zum einen parkte er in direkter Nachbarschaft zu meinem Wohnhaus, um das ich eine vorsichtige Runde drehte, auf Ausschau nach einem Parkplatz wie nach abgestellten Autos mit wartenden Grobianen. Zum anderen waren da die nicht besonders kunstvoll mit Folien abgedunkelten Scheiben, eher etwas für weniger seriöse Fahrzeuge deutlich älterer Baujahre. Und schließlich, wo ich schon mal darauf aufmerksam geworden war, die völlig vermackten Alus. Äußerst ungewöhnlich. Würde man eine repräsentative Zahl deutscher Autofahrer mit der Frage konfrontieren, was ihnen mehr am Herzen liege, die Gesundheit ihrer Kinder oder die Unversehrtheit ihrer Alufelgen, ich bin mir sicher, die meisten würden ins Stammeln geraten.
    Dieser A6 war ein besonders hart oder besonders bedenkenlos gefahrenes Auto. Mit Düsseldorfer Kennzeichen, was an sich noch kein Verbrechen darstellt, doch ohne wartende Insassen, was immer das zu bedeuten haben mochte. Ich versuchte, mich an Details des Wagens zu erinnern, mit dem Dimitrijs Mörder abgehauen waren, doch alles, dessen ich mir wirklich sicher sein konnte, war, dass es sich um einen grauen Audi gehandelt hatte, und damit hätte es jeder sein können.
    Die einzigen freien Parkplätze kosteten selbstverständlich Gebühren, unverschämt hohe dazu, wie geschaffen zur endgültigen Vergraulung der letzten Kunden der Innenstadt-Geschäfte. Gebühren, deren

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