Bis zum Hals
müssen wissen, das ist mein Beruf …«
»Was wir wissen müssen, ist, wo sich die Frau aufhält.« Tshukev griff schon wieder in seine Mappe, nur dass er leider kein weiteres Geld hervorzog. Sondern einen Gummiknüppel, mit dem er ohne Zögern, ohne Drohen, augenblicklich zuschlug, direkt auf meine Schläfe gezielt.
»Wo ist die Frau?!«, brüllte er und hieb daneben, weil ich mich zur Seite warf, und dann machte er einen überraschten Schritt rückwärts, weil ich mit dem Baseballschläger in der Hand wieder hochkam, und bellte einen Befehl, worauf sein Partner eine abgegriffen und vielbenutzt aussehende Pistole aus seinem Hosenbund rupfte.
Brenzlig, aber nicht gefährlich, durchaus kontrollierbar, echote es in mir, und ich ließ den Schläger zu Boden und mich selbst rücklings aus dem Fenster fallen, wo ich draußen übers Sofa abrollte. Mit einem Satz war ich wieder auf den Füßen und mit einem weiteren, jodelnd vor Schmerz, übers Geländer und um die Sichtblende herum auf Edna Mohrs Balkon gekraxelt.
Tshukev brüllte irgendwas auf Russisch, und ich wusste, der Fluchtweg über den Hausflur war versperrt, dann flog Ednas Balkontür auf und ausgerechnet Anoushka sah mich mit großen Augen an, was die Lage weiter verkomplizierte, so dass mir mit einem Schlag nichts anderes blieb, als erst mal Anoushka in Ednas Wohnung zurückzudrängen und dann kehrtzumachen und mich der Musik zu stellen, wie es der Angelsachse so humorvoll ausdrückt. Dabei ist Heldentum noch nie meine Stärke gewesen. Ich war immer schon lieber der, der in stiller Bescheidenheit den Streuselkuchen mümmelt, als der, den man bewundert und beweint ins Loch hinablässt und verscharrt. Doch mir blieb keine Wahl. Partner kam schon um die Sichtblende herum, Waffe zuerst, Kopf und Oberkörper als Nächstes, und ich – mit leeren Händen, irgendeine Form von Waffe inmitten von Ednas Topfblumen nicht auszumachen – schnappte mir den nächstbesten Gegenstand, einen offenen Plastikeimer, halb voll mit Guano, und schleuderte Partner den Inhalt ins Gesicht, dann war Anoushka neben mir und hieb dem Kerl eine Fleischgabel ins Handgelenk, die Pistole klapperte zu Boden und ich sprang beiseite, um nicht von einem sich selbst lösenden Schuss erwischt zu werden. Doch nichts knallte, nur Partner stöhnte, spuckte, keuchte, sackte, Lunge und Augen voll feingemahlener Vogelscheiße, hinter die Sichtblende zurück, und ein kurzer Moment von schreckstarrem Triumph verging sofort wieder, weil sich jemand von außen wuchtig gegen Ednas Wohnungstür warf. Anoushka fiel auf die Knie und kam mit der Pistole in Händen wieder hoch, hob sie beidarmig auf Augenhöhe und feuerte über den Kopf unserer Gastgeberin hinweg durch das Wohnungstürblatt, direkt neben dem Spion. Der harte Knall sang in meinen Ohren, der scharfe Pissegestank des Kordits stach mir in die Nase, und wer immer sich im Hausflur befand, überdachte sein Vorhaben, gewaltsam in diese Wohnung eindringen zu wollen. Falls er dazu noch in der Lage war. Zu denken, meine ich. Aber gesetzt den Fall, er war, hieß das, er kontrollierte die ganze Länge des Hausflurs. Das ließ uns nur den Fluchtweg über die Fassade. Und das bedeutete zunächst mal eins:
»Wir müssen rüber auf meinen Balkon«, flüsterte ich Anoushka zu, die die Waffe hatte sinken lassen, aber immer noch in beidhändigem Griff hielt, mich voll Schrecken und Konzentration anblickte und nickte.
»Soll ich die Polizei rufen?«, bot Edna an, erstaunlich ungerührt durch das ganze Geschehen bis hin zu einer über ihren Scheitel hinweg gefeuerten Pistolenkugel, doch ich schüttelte nur den Kopf. Bis die Bullen einträfen, wären Brille und Konsorten eh wieder weg. So oder so. Und noch hatte niemand Anoushka gesehen, war ihre Verbindung zu mir nur eine Vermutung.
Vorsichtig schob ich Bein und Kopf um die Sichtblende herum. Partner hockte hustend auf dem Boden, immer noch blind vor Puder, hielt die aus seinem Unterarm ragende Fleischgabel gepackt und ließ ein tiefes Stöhnen hören, als er sie sich unter Mühen selber aus dem Fleisch zog. Mich schauderte. So jemanden, also jemand, der so etwas vermag, anstatt wie ein normaler Mensch damit ins Krankenhaus zu wanken und winselnd um Narkose zu bitten, so jemanden möchte man nicht zum Gegner haben. Für einen Sekundenbruchteil dachte ich darüber nach, ihm mit dem Basie den Rest zu geben, solange ich im Vorteil war, doch dann setzte das Realitätsempfinden wieder ein, und ich stieg über ihn
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