Bis zum Hals
Leiche ausgehändigt bekommt.«
»Kannst du das nicht verhindern, Kristof?« Fragend, bittend, es schien ihr wirklich viel zu bedeuten.
»Ich kann es versuchen.«
Wir nahmen den Weg durch das leerstehende Appartement und dann den Aufzug bis runter zur Garage. Immer schon ein würgendes Gefühl, diese Fahrt in der fensterlosen, engen Kabine, doch doppelt beklemmend, wenn man nicht weiß, ob zwei übellaunige Bewaffnete tatsächlich das Haus verlassen haben oder noch irgendwo lauern, einen fetten Daumen auf dem Rufknopf des Lifts.
Ich hielt den Atem an, als sich die Türen öffneten, und stieß ihn genervt aus, als Ronnie, Pummel und Piepe sich von der Säule lösten, gegen die gelehnt sie hier unten herumgelungert hatten.
»Jungs«, sagte ich und trat aus der Kabine, sah mich rasch nach allen Seiten um – wir waren allein – »ein andermal, ja?«
Piepe stellte sich mir in den Weg, Pummel tat es ihm gleich, Ronnie kratzte an seinen Pickeln herum und begaffte Anoushka. Es gab kein Vorbei, nicht in meiner Verfassung.
»Den Schlüssel, Krisinski.« Piepe hielt fordernd die Hand auf, Pummel ballte die Faust, Ronnie bemerkte, dass ihm der Mund offen stand. Kryszinski schluckte. Ich denke mal, ich hätte ihn jetzt ausgehändigt, doch ich hatte ihn gar nicht bei mir. Und ich wusste nicht recht, ob mich das jetzt freuen sollte oder nicht.
»Wer sind die drei?«, fragte Anoushka in meinem Rücken.
»Halt dich raus«, sagte Piepe zu ihr, und zu seinen Kumpels: »Packt ihn euch und zieht ihm die Taschen auf links.«
»Stopp«, befahl Anoushka, und Piepe gluckste, als er die irgendwie zu große Waffe in der Hand dieser dafür irgendwie zu kleinen Frau bemerkte, und er griff danach und uns allen wurde wieder mal bewusst, was für ein biestiges, einschüchterndes Geräusch, was für ein akustischer Rasiermesserschnitt so ein Pistolenschuss doch ist. Selbst wenn er nur zur Warnung abgegeben wird.
»In den Aufzug mit euch«, befahl ich, während der Nachhall noch durch die Katakomben irrte.
Sie murrten ein bisschen und sie drohten ein bisschen, wie sie es alle tun, doch sie stiegen in die Kabine, die Türen schlossen sich, die Kabine ruckte an, und wir gingen zum Wagen.
»Was werden die drei jetzt machen?«
»Sie rennen zu ihrem Auto und warten an der Ausfahrt der Tiefgarage, in der Hoffnung auf eine zweite Chance.«
»Und was machen wir?«
»Wir haben an der Ein fahrt geparkt. Ganz andere Gebäudeseite.«
Und sie legte den Kopf schräg und sah mich wieder so an. Wie vorhin schon.
Ich machte Boden gut, sagte mir eine kleine innere Stimme.
»Hey, hast du den Sack wieder zurück in das Lenkrad bekommen?«
»Nicht wirklich.« Abgesäbelt und weggeschmissen, war die Wahrheit. Jetzt müsste ich nur noch das Warnlicht neben dem Tacho abknipsen, und niemand käme auf die Idee, hinter der Blende inmitten des Lenkrades könne sich irgendetwas anderes verstecken als ein an eine nervöse Sprengladung gekoppelter Airbag. Perfekt. Man möchte schnurstracks los und es an der Zollfahndung ausprobieren.
»Sag mir, was ich tun muss.« Die junge Russin zeigte sich nicht recht vertraut mit den technischen Eigenheiten des Smarts. So wie ich mit der Ausstattung. Es dauerte, bis ich endlich den Verbandskasten gefunden hatte.
»Einfach starten und Gas geben.«
»Ah-ha!«, sagte sie, als das Ding losputterte, und grinste vergnügt. »Du sagst, wohin ich fahren soll.«
Ich dirigierte sie noch mal kurz um den Parkplatz. Der graue Audi mit den vermackten Felgen war fort.
»Fahr mal hier links und dann den Schildern Richtung Duisburg hinterher.«
Ich öffnete den Verbandskasten, griff mir die Schere, schnippelte mir den Verband vom Balg und begann, mich neu und möglichst stramm zu verpflastern.
»Duisburg?«
»Ja. Ich glaube, ich habe gefunden, wo Dimitrij gewohnt hat.«
Niemand folgte uns. So viel war schon nach nur wenigen Kilometern hundertprozentig sicher. Niemand hätte es vermocht.
Trotzdem war es ein Fehler gewesen, ein massiver, grenz-letaler Missgriff, Anoushka die Schlüssel zum Smart anzuvertrauen. Binnen kürzester Zeit war sie mit dem Wagen verwachsen wie eine Tyrannin mit ihrer Macht. Den Schirm ihrer Ferrari-Kappe tief über die von einer Pilotenbrille verschatteten Augen gezogen, stellte sie sich dem Verkehr mit der grimmigen Attitüde einer Kampfmaschine, die ein Schlachtfeld zu queren hat. Vom Augenblick des Anrollens an ging es nur noch darum, so viel Fahrt wie möglich aufzunehmen und das erreichte
Weitere Kostenlose Bücher