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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Ahnung, wo wir sind.«
    Die Tür zum Appartement hinter uns war auf Kippe gestellt. Ich schirmte meine Augen ab und linste durch die Scheibe. Die Wohnung war leer, unbewohnt.
    Na also, dachte ich, sank still in mich zusammen. Bis hierher wären wir. Ich blickte runter auf mein T-Shirt und legte eine Hand auf das, was ich sah.
    »Der eine soll jetzt Treppenhaus und Aufzüge kontrollieren, der andere bleibt erst mal draußen.«
    Womit wir hier festsaßen, da sich weitere Fassadenkletterei definitiv nur dem empfahl, der unbedingt ein zweites, flatschneues Loch in den Arsch gebrannt bekommen wollte.
    Zehn Minuten, zeichensprachte ich, und Anoushka nickte und kam zu mir rübergekrabbelt. Sie zog mir die Hand vom Bauch für einen Blick auf meinen Verband, in dessen Mitte sich ein feuchter, roter Punkt abmalte. Resultat der vorangegangenen Turnübungen.
    »Aber, Kristof!«, flüsterte sie alarmiert. »Damit musst du schnell zu einem Doktor.«
    »Zehn Minuten«, flüsterte ich zurück.
    Sie nickte wieder, setzte sich hin, Füße ordentlich parallel gestellt, Knie zusammen, sah mich an und fragte: »Kristof, was wollten die Männer von dir?«
    Fast hätte ich gelacht. Fast. Dann korrigierte ich vorsichtig ihren Irrtum, teilte ihr mit, dass sie es war, auf die es die beiden Schlipsträger abgesehen hatten, und stieß auf Unglauben.
    »Aber niemand weiß, dass ich hier bin.«
    Ich ließ mir das durch den Kopf gehen, registrierte das kurze Aufblenden des Namens Jochen Fuchs, kombiniert mit dem Wunsch, ihn so bald wie möglich anzurufen und ihm nach kurzem Verhör ein paar Deutlichkeiten an den Kopf zu werfen. Doch dann entsann ich mich, genau das schon im Krankenhaus getan zu haben, begriff plötzlich, wer Anoushkas Existenz in die Welt hinausposaunt hatte, und bekam einen Hitzeschub.
    »Das ist nicht ganz richtig«, korrigierte ich sie kleinlaut. »Ich selbst habe der Polizei von dir erzählt.«
    »Aber wieso das?« Sie wirkte erstaunt und enttäuscht. Von mir enttäuscht.
    »Ja, wieso denn nicht?«, verteidigte ich mich. »Das russische Konsulat erhebt Anspruch auf Dimitrijs Leichnam, also musste ich irgendwas sagen, um die Aushändigung erst mal zu verhindern, oder?«
    Sie ließ sich das durch den Kopf gehen und nickte sehr ernsthaft.
    »Das darf nicht passieren«, sagte sie.
    »Dann wäre es wahrscheinlich ganz gut, wenn du zur Polizei gehst und …«
    Sie schüttelte den Kopf. »Mein Visum ist abgelaufen. Erst muss ich wissen, was genau Dimitrij hier gemacht hat, verstehst du? Hast du schon etwas herausgefunden?«
    »Tja. Was auch immer, es hat nicht den Anschein, dass es sich dabei um legale Geschäfte handelte.«
    »Siehst du. Wir müssen erst das Geld finden, Kristof. Dann gehe ich zur Polizei, und dann können sie mich und Dimitrij von mir aus nach Hause schicken.«
    Wir. Wir müssen. Und wenn wir es finden, das Geld, haut sie ab, und ab da heißt es wieder ich. Traumhafte Aussicht.
    »Wenn Sie den Herrn Kryszinski suchen, der ist nach Wangerooge«, kam es von unter uns, quittiert mit einem Grunzen, gefolgt von der Frage: »Wo ist die Frau?«
    Edna Mohr machte »Oh«.
    Und mir wurde es erneut heiß um den Scheitel und eng um den Kragen. Da war einfach keine Zeit gewesen, um mit Edna irgendetwas wegen Anoushka abzusprechen.
    »Ich wiederhole: Wo ist die Frau?« Es war Tshukev, der sprach, während das schwach, hohl und weit entfernt klingende Schniefen, Keuchen, Spucken seines Partners ahnen ließ, dass der den Flur unter Beobachtung hatte.
    »Oh«, machte Edna noch mal so knapp wie spitz. »Zu seinen Frauengeschichten werden Sie Herrn Kryszinski schon selber befragen müssen. Da weiß ich gar nichts drüber. Die gehen bei ihm ja nur so ein und aus. Wie in einem Taubenschlag. Und es sind immer andere.«
    Ich spürte einen bohrenden Blick an meiner Seite, wandte mich Anoushka zu und schüttelte vehement den Kopf, ließ meinen Zeigefinger ein paarmal um meine Schläfe kreisen und deutetet dann damit nach unten, in Richtung auf Ednas kippelige Stimme.
    Und sie lächelte. Anoushka, meine ich. Senkte die Wimpern und sah mich darunter hervor außerordentlich skeptisch an, aber lächelte dabei. Wenn auch nur kurz.
    »Und bitte machen Sie die Tür hinter sich zu. Die Katze läuft sonst in den Flur.«
    »Noch fünf Minuten«, flüsterte ich. Und fuhr dann fort: »Anoushka, wenn wir alle Umstände von Dimitrijs Ermordung klären wollen, dann kann das dauern. Und damit wächst das Risiko, dass das Konsulat sich durchsetzt und die

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