Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
Vom Netzwerk:
dann, wenn man sie gerade brauchen oder auch nur abfedern kann. Leider kann ich Ihnen keine Transfusion verpassen, weil ich dafür unterschreiben und damit zugeben müsste, Sie behandelt zu haben. Und das möchte ich angesichts der Vorstellung, dass Sie möglicherweise am Steuer zusammenklappen und ein halbes Dutzend Menschen in den Tod reißen, lieber nicht.«
    Die Schwester setzte ein paar Klammern und Dr. Korthner begann zu stoppeln. Stich, Fadenzug, Stich, deutlich spürbar trotz Betäubung. Ich musste mich ablenken.
    »Sagen Sie mal …«
    »Pssst. Ich hab gesagt, nicht sprechen! Wie soll ich sonst nähen?«
    »Sagen Sie mal, gibt es irgendwas Neues von Dimitrij?«
    Dr. Korthner richtete sich zur vollen Höhe auf und sah mich streng an. »Noch ein Wort, und Sie können sich hier selbst verarzten.«
    »Hm.«
    »Und nein, was Ihre Frage angeht. Ich hab hier erst noch einem anderen Patienten den, äh, Stachel zu ziehen, doch schon morgen werden wir uns Ihr Opfer wieder vorknöpfen. Versprochen.«
    Genäht, verpflastert und verbunden durfte ich mich schließlich aufrichten. Fluchte, als mir aufging, dass ich kein zweites T-Shirt mitgebracht hatte. Die Schwester war dann so nett und holte mir eins in weiß, mit Krankenhausaufdruck links auf der Brust. Ich zog’s über und stellte mich hin. Mein Hirnstrom ähnelte der von einem Fahrraddynamo an einem schwer eiernden Rad produzierten Spannung. Ein stetiges An- und Abschwellen der Lichtausbeute war nicht zu leugnen.
    Der Doktor besah mich wie ein Kuriosum, mit einer Mischung aus Interesse und Skepsis.
    »Verraten Sie mir mal eins: Wofür machen Sie das? Was steckt da für Sie drin, dass Sie solch ein Risiko fahren?«
    »Das weiß man immer erst hinterher.«
    »Tja. Wie so vieles.«
    Ich bekam noch ein Rezept für Schmerztropfen und Kreislaufpillen und irgendwas zur Beschleunigung der Blutbildung in die Hand gedrückt, dann bedankte und verabschiedete ich mich und zockelte los.
    »Bis bald«, rief Dr. Korthner mir noch nach.
    Immer ein bisschen doppelbödig, dieser Gruß, aus dem Mund eines Pathologen.
     
    »Lange hätte ich nicht mehr gewartet.«
    »Ja, ja«, sagte ich.
    »Mein Gott, Kryszinski, du siehst aus wie ein Zombie. Wieso bleibst du nicht im Krankenhaus, bis du wieder auf den Beinen bist?«
    »Bin ich doch, oder? Außerdem hab ich zu tun.«
    Ich hievte mich in den Beifahrersitz mit der ganzen Grazie eines von Hämorrhoiden geplagten Dorfältesten.
    Ich brauche ein Auto, in das ich hochsteigen kann, dachte ich. Nicht runter. Irgendwas richtig Großes, am besten mit Servolenkung und Automatik und dem ganzen Scheiß.
    »Wohin soll’s gehen?«
    »Hösel«, antwortete ich, und meine Finger schlossen sich in der Jackentasche um den kleinen, mit »Hi« beschrifteten Autoschlüssel.
    Er war weg. Mir fiel die Kinnlade herunter. Der Hummer war fort, verdunstet. Und ich hatte Hufschmidt noch vorne an der Grundstückseinfahrt großspurig nach Hause geschickt! Jetzt stand ich hier, im blassen Licht des Mondes, und wusste nicht vor und zurück.
    Hatten sie das Ding doch noch ohne Schlüssel zum Laufen gebracht? Offenbar, denn weg war er. Alles, was blieb, waren die vier Abdrücke seiner fetten Reifen.
    Hm. Moment mal. Die Mulden im Kies waren Standspuren, keine Fahrspuren. Fahrspuren fanden sich daneben, sehr tiefe, von Zwillingsreifen.
    Sie hatten den Hummer abgeschleppt, hatten ihn auf die Ladefläche eines LKWs gehoben und weggebracht. Und ich stand hier, Schlüssel in der Hand, mitten in der Nacht, am Arsch der Welt, auf Beinen, stabil wie die eines Tapeziertisches, und konnte zusehen, wie ich wieder nach Hause kam. Zähneknirschend machte ich kehrt.
     
    Hufschmidts Opel wartete quer in der Einmündung zur Landstraße. Fast hätte ich mich gefreut.
    »Ich wusste die ganze Zeit, was du hier vorhattest«, begrüßte er mich grimmig. »Und ich hätte dich nie und nimmer mit einem weiteren geklauten Auto vom Platz fahren lassen.«
    »Du bist zu misstrauisch«, sagte ich und dachte im Stillen, was für ein Leichtes es gewesen wäre, ihn und seinen Opel mit dem Hummer aus dem Weg zu räumen.
    »Muss mit deinem Beruf zusammenhängen.«
    »Wohin jetzt?«
    »Oberhausen.« Hier sitzt du, Kristof, und lässt dich von deinem Intimfeind zu deinem geheimen Unterschlupf, der Wohnung deines Dealerfreundes Scuzzi, chauffieren. Ich fragte mich, ob das wirklich schlau war.
    Die Fahrt über Landstraßen runter nach Mintard und weiter nach Mülheim verlief schweigend. Hufschmidt

Weitere Kostenlose Bücher