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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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durfte.
    »Sie kam aus dem Bad, und ich sag dir … schlimm.«
    »Was ist schlimm?« Ich weiß auch nicht, wie es dieser DJ hinbekam, aber immer wenn ich die Stimme hob, machte er die Musik aus.
    »Na, diese Narben « , raunte Tina. »Das arme Mädchen zieht keinen Bikini mehr an.« Das von einem Maurer, der trotz massiven Übergewichts und der Körperbehaarung eines räudigen Orang-Utans im Frühjahr stets der Erste war, der sich das Hemd vom Leib riss. Und im Herbst der Letzte, der es wieder anzog.
    »Von einem Autounfall, sagt sie.«
    Wenn du in der Armee bist, Kristof, dann bist du in der Armee. Ich fragte mich, ob sie wohl je mit mir darüber sprechen würde. Und was sie dann erzählen würde. Und ob ich die Nerven besäße, mir das alles anzuhören.
    »Okay«, sagte ich. »Ich geh dann mal.«
    »Schön. Ich muss auch wieder an die Pötte. Herr Deckart müsste da sein. Sein Wagen steht direkt vorm Lokal. Da, der schwarze … was ist das für einer?«
    »Ein Chrysler.«
    »Und Herr Deckart ist … mit Vorsicht zu genießen.«
    »Ja, ja«, sagte ich. »Bis später.«
    »Und Tschüssi!«
    Dann stoppte ich, machte noch mal kehrt. Der erwähnte und mit Vorsicht zu genießende Herr Deckart war unter Umständen einer der letzten drei oder aber auch nur einer der letzten beiden Menschen, die Dimitrij in seinem Leben gesprochen bzw. gesehen hatte. Doing.
    »Brief mich ein bisschen«, bat ich Tina. »Bevor ich runtergehe.«
    »Komm mit mir in die Küche.«
     
    »Hier. Iss das.«
    Ich blickte ohne wirkliche Begeisterung auf das Schüsselchen, das Tina mir in die Hand gedrückt hatte.
    Einmal war mir nicht nach essen, mein Magen stand da zurzeit überhaupt nicht drauf. Dann schlägt mir Koks regelmäßig auf den Appetit, wie es sonst nur Vollstreckungsbescheide oder tränenreiche Trennungen vermögen. Und zu guter Letzt habe ich Champignoncremesuppe noch nie ausstehen können.
    Jetzt kam noch ein Löffel hinzu. Für die andere Hand.
    »Ich sagte: Iss das! Und ich wiederhole mich nur ungern.«
    Voll die strenge Mutter. Unwiderstehlich. Im, ähem, eigentlichen Wortsinn.
    »Also, ich weiß nicht allzu viel über Herrn Deckart, und das, obwohl er mein Boss ist. Er redet nicht viel mit … uns. Er hat Vergangenheit, wenn du mich fragst. Und einen höchst fraglichen Stil, sich zu kleiden.« Das von einem 120-Kilo-Kerl mit einer Vorliebe für Perlen, Pumps und Pelzjäckchen. »Na, dir wird er wahrscheinlich gefallen. Sein Stil, meine ich.«
    »Hat er noch andere Läden außer dem hier?«
    Ich pustete lange an dem ersten Löffel Suppe herum, schluckte, spürte ihn unten ankommen, wartete. Es ging. Also nahm ich mir noch einen vor. Deckart, dachte ich. Deckart, Deckart.
    »Das kann man wohl sagen. Er kauft einen nach dem anderen.«
    »Alles Schwulenbars?«
    »Allesamt. Wie man so hört, versucht er, sich unsere ganzen Szenekneipen im Rhein-Ruhr-Gebiet unter den Nagel zu reißen. Kürzlich erst hat er sogar den Narziss-Club übernommen. Muss eine hübsche Stange Geld gekostet haben.«
    »Narziss-Club«, sinnierte ich und bekam noch eine Kelle Suppe verpasst. »Wo war der noch mal?«
    »Frohnhausen, du weißt schon …«
    »Ah. Früher ein Puff, dann ein Swinger-Club, richtig?«
    »Davor war’s eine Politiker-Villa. Minister von irgendwas. Riesenmauer um das ganze Grundstück. Kevin und ich gehen da ab und zu mal hin. Sehr angesagt, sehr exklusiv, der Laden, ich sag’s dir. Security überall. Wegen der vielen Promis wahrscheinlich. Promis, ich sag’s dir, ohne Ende. Dir würden die Augen übergehen.«
    Bestimmt, dachte ich, bedankte mich für die Suppe und verabschiedete mich.
    »Tschüssi. Und denk an meine Worte. Sei vorsichtig.«
    Ja, ja. Dann doch noch mal umgedreht.
    »Warum? Ich meine, was soll an deinem Herrn Deckart so verdammt gefährlich sein?«
    »Nun ja. Man erzählt sich so einiges. So wollte der letzte Besitzer des Lollipop auf keinen Fall verkaufen. Eines Tages ist er dann tot am Strand von El Arenai angespült worden.«
    Hm. Möglicherweise hat auch einfach nur seine Pumpe versagt, oder was bei Kneipiers sonst als Erstes den Geist aufgibt. Ich bedankte mich noch mal und ging.
     
    Deckart, Deckart, Deckart … Feister M 300, sein Wagen. Feist und schwarz. Parkte mitten auf der Straße. Feist, schwarz, cool. Deckart, Deckart, Deckart. Kannte ich, kannte ich, kannte ich, den Namen. Bloß woher?
    Die Klingel am Seiteneingang klang ein wenig ärmlich, also half ich mit Klopfen nach. Klopfte noch mal. Nach ein, zwei

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