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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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versuchte wie gewöhnlich, mich mit seiner Fahrweise zu beeindrucken, worauf ich wie gewöhnlich mit allen Anzeichen von Langeweile reagierte.
    »Sag mal, Hufschmidt«, fragte ich irgendwann, was ich mich die ganze Zeit schon fragte, »wo kamst du denn so plötzlich her vorhin?«
    »Ah!« Er erinnerte sich, lebhaft, wie es schien. »Ich hatte ein paar dringende Fragen an dich. Stell dir vor: In Essen erschleicht sich jemand den Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln, wird dem Kontrollpersonal gegenüber gewalttätig und gibt sich dabei für mich aus!«
    Er sah mich scharf von der Seite an, und ich sah hinaus in die auch des nachts nicht erlahmende Geschäftigkeit der Mannesmann-Röhrenwerke.
    Da sind sie heute bestimmt froh drüber, dachte ich, dass sie die nicht auch für ein paar Cent nach China verscherbelt haben. So wie den Rest der Ruhr-City-Stahlindustrie.
    »Bist du sicher, dass du das nicht tatsächlich selbst warst?«, fragte ich dann. »Du weißt, du hast diese dunkle Seite an dir, die Männer und Frauen gleichermaßen in deinen Bann schlägt.«
    »Red keinen Stuss. Und willst du wissen, auf wen die Beschreibung des Täters einhundertprozentig passt? Auf dich. Möchtest du etwas aussagen? Dich rechtfertigen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das Straßenbahnfahren hab ich mir schon vor Jahren abgewöhnt. Es … es bekommt mir einfach nicht.«
    »Wer hat denn hier etwas von Straßenbahn gesagt?«
    Er glühte regelrecht auf vor Eifer. Wie kann man nur seinen Beruf so lieben und gleichzeitig so stümperhaft darin sein? Von Hufschmidt verhört zu werden ist oft wie einem ebenso beseelten wie linkischen Maurer bei der Arbeit zuzusehen. »Ich hab Straßenbahn mit keiner Silbe erwähnt!«
    »Ich weiß«, sagte ich müde. »Ich wollte nur sehen, ob du’s merkst.« Einem, der, wie man bei uns sagt, alles, was er mit seinen Händen mühsam errichtet, anschließend mit dem Arsch wieder umschmeißt.
    »Moment mal! Versuchst du mich zu verscheißern?«
    »Nein, nein. Da vorne an der Laterne kannst du anhalten.«
    »Ich kann dich jederzeit zu einer Gegenüberstellung vorladen.«
    »Ich weiß. Und wir beide wissen, dass es nie dazu kommen wird.«
    »Wieso das denn?«
    »Hufschmidt, ihr befürchtet ein Blutbad unter rivalisierenden Banden, und ihr brütet über einem ungelösten Mord. Wann hattet ihr das zuletzt? Ich meine einen Mord, wo der Täter nicht direkt aus dem familiären Umfeld stammt und noch mit der Tatwaffe in der Hand verhaftet wird?«
    Er stoppte den Wagen an der angegebenen Stelle und blickte mürrisch drein.
    »Oder einen, den ihr nicht als Verkehrsunfall kaschieren und unter den Teppich kehren könnt?«
    Er blickte noch etwas mürrischer drein.
    »Und um den Fall zu lösen, braucht ihr mich. Also hör auf, mich zu nerven.«
    Ich stieß die Tür auf und machte mich an die Aufgabe, aus dem Wagen zu kraxeln, ohne mir die Bauchnaht wieder zu öffnen oder das Licht auszuknipsen. Das benötigte ein bisschen Vorausplanung und Zeit.
    »Bei wem wohnst du denn hier?«
    Die Frage war zu erwarten gewesen.
    »Bei meiner Mutter«, log ich mit, wie ich fand, Verve. Was immer das sein mag.
    Ich hatte die Füße draußen und brauchte jetzt eigentlich nur noch aufzustehen, den Gehsteig zu queren und die fünf Etagen hochzustürmen, immer zwei Stufen auf einmal.
    »Hufschmidt, wer ist dieser ominöse ›andere Dienst‹, der den Fall Jalnikov an sich gerissen hat?«
    »Darf ich nicht sagen. Dienstgeheimnis.«
    »Du und Menden, ihr wisst jetzt beide, dass es Mord war und dass ihr euer Scherflein zu seiner Vertuschung beigetragen habt. Was ist das für ein Gefühl?«
    Er grunzte.
    »Und was wird das erst für ein Gefühl sein, wenn Dimitrijs Mörder auch meine Klientin und mich umgebracht haben?«
    Er drehte mir langsam den Kopf zu.
    »Deine Klientin hat bis heute noch keiner gesehen. Und was dich angeht, werden ich und die Kollegen bestimmt für ein paar Blumen auf dem Grab zusammenschmeißen. Falls sich im Park neben dem Präsidium keine finden sollten, heißt das.«
    Man darf den Bogen nicht überspannen, wurde mir klar.
    Ich packte die Türoberkante und zog mich hoch. Es ging, es ging.
    »Also, ich kümmere mich um die Biker-Geschichte, du siehst zu, was du für mich im Fall Jalnikov rauskriegen kannst. Klar?«
    »Das kann ich nicht machen.«
    »Wir telefonieren morgen früh.«
    Damit klappte ich die Tür zu.
     
    Ab der vierten Etage wusste ich, was Extrem-Bergsteiger als die »Todeszone« bezeichnen, doch ich kämpfte

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