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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Charly sein Glas weg und inhalierte den Inhalt. »Das schmale, scheue Reh. Augenaufschlag wie ein Klodeckel und immer ein bisschen uuuhhh, so hilflos, immer bedürftig, immer auf der Suche nach einem starken Arm.« Sie steckte sich eine an, blies den Rauch in meine Richtung. »Das sind die Schlimmsten, Kristof, glaub’s mir einfach.« Sie beugte sich vor, starrte mich an. »Aber was rede ich«, fügte sie nüchtern hinzu. »Auf wie viele von diesem Typus bist du in deinem Leben schon reingefallen? Hm?«
    »Was weiß denn ich«, murrte ich, in der Defensive und deshalb gereizt. Wahrscheinlich, sagte ich mir, ist sie bloß eifersüchtig.
    »Genau«, fand sie und richtete sich wieder auf. »Du weißt es nicht, ich weiß es nicht, keiner weiß es. Und warum? Es waren zu viele.«
    »Nun lass ihn in Ruhe. Es hat doch eh keinen Zweck. Sieh ihn dir an: Es ist zu spät.«
    Sie blickte auf mich herunter, grinste. »Kristof, Kristof, Kristof, was du aber auch immer durchmachst. Und alles nur, weil ich an diesen blonden Schwachmaten hier gebunden bin. Doch ich verspreche dir, sobald ich ihn verschlissen habe, verscharren wir ihn gemeinsam im Garten, und ab da nehme ich dich in Schutz vor all den ganzen Schlampen da draußen.«
    Eifersüchtig, ich wusste es doch.
    »Wenn du das noch erlebst«, meinte Charly gutmütig zu mir. »Wetten würd ich derzeit auf alle Fälle nicht drauf.«
     
    Im Endeffekt klaubte ich mir dann aus Charlys Ratschlägen die passendsten heraus: Ich würde mit Vonscheidt einen Kompromiss schließen, der mir die Mittel an die Hand gab, mit Anoushka zusammen nach Gomera zu fliehen und da für eine Weile meinem Freund Pierfrancesco auf der Tasche zu liegen. Selbst wenn das bedeutete, Dimitrijs Geld abzuschreiben und seinen Mord ungesühnt zu sehen.
    »Wohin?« Charly startete den Motor seines Pick-ups.
    »Zu mir.« Bei Vonscheidts Festnetz ging nur noch die Quatsche dran, und seine Handynummer stand in manierlicher Schrift auf dem Notizblock auf meinem Schreibtisch.
    »Soll ich nicht besser mit hochkommen?«, fragte Charly, doch ich konnte mir nicht vorstellen, dass Tshukev mich für so dämlich hielt, nach gleich zwei nur knapp überstandenen Anschlägen auf mein Leben so bald schon wieder nach Hause zurückzukehren, und winkte ab.
    Was für ein Naivling ich doch manchmal bin.
    Erst als Charlys Wagen davonbrabbelte, wurde mir der relative Leichtsinn meines Handelns bewusst, also wählte ich den denkbar heimlichsten Weg in mein Appartement. Der führte zunächst durch die Tiefgarage, wo unserer kleinen Aussteigerkommune nichts Ungewöhnliches aufgefallen war, keine wirklich verlässliche Auskunft allerdings bei Leuten mit ihrer permanent getrübten Wahrnehmung. Dann fand ich mich am Fuß des Treppenhauses wieder, wo ich innehielt, die zu erklimmende Etagenanzahl addierte und für einmal dem Lift den Vorzug gab. In der achten Etage stieg ich aus, schob die nur angelehnte Tür des leerstehenden Appartements leise auf und hinter mir wieder ins Schloss, griff mir mein auf dem Balkon zurückgelassenes Fassaden-Modul, hängte es über die Brüstung, lauschte in die Nacht und wälzte mich dann so vorsichtig es nur ging über die Brüstung.
    Meine Balkontür stand sperrangelweit offen und das Licht brannte. »Ich werde nicht mehr lange hier sein«, hatte Anoushka gesagt. »Danach kannst du es dir wieder so gemütlich machen, wie du magst.« Nun, da hatte inzwischen jemand etwas vorschnell nachgeholfen.
    Ich seufzte müde angesichts des erneuten Chaos.
    Wenn das alles hier vorbei ist, sagte ich mir, werde ich renovieren, oder nein, noch besser, umziehen.
    Ich fand den Notizblock, griff zum Telefon, das mich hartnäckig anschwieg, auch nach Schütteln und Draufklopfen, also rupfte ich den Zettel ab, steckte ihn ein, löschte das Licht, schloss die Wohnungstür hinter mir und schlug und trat wild um mich, als mir von hinten ein Arm um die Gurgel gelegt und zugedrückt wurde wie von einer Hydraulikpresse.
    Das Flurlicht ging an, und durch rasch schwellende Augäpfel erkannte ich die aufgedunsene Bluthochdruck-Visage meines autohandelnden Freundes Vonscheidt.
    »Weißt du eigentlich, wie lange wir hier schon warten?«, fuhr er mich an. Als ob mich das juckte. »Wo ist der Schlüssel?«, wollte er wissen, und ich gab auf, innerlich, und hätte es ihm gesagt, doch mit dem Hals in einem Zweiarm-Polizei-Würgegriff war schlecht antworten.
    »Klopp ihm eine rein«, forderte er, und Piepe trat vor und grub mir seine Faust in

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