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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Minuten Gelegenheit zum Nachdenken öffnete sich eine vergitterte Klappe in der Tür, und ein fetter, grauhaariger Biker starrte mich durch seine schwarzen Gläser an. Schnauzbart, Pony-Frisur, die in einen dünnen Pferdeschwanz mündete, schwarzer Anzug mit schwarzer Krawatte über einem weißen Hemd. Körperumfang wie ein Gummiboot. Genug Silber an Ohren, Fingern, Handgelenken, um notfalls eine Kaution damit zu finanzieren.
    So kann man also auch enden, dachte ich. Fahrer und Bodyguard für einen Schwuchtelschuppen-Gastronomen.
    »Cha?«, fragte er.
    »Ich will zu Herrn Deckart.«
    »Hiss nich ha.« Er war schwer heiser, kaum zu verstehen.
    »Ich weiß, dass er hier ist.«
    Der Biker starrte mich eine ganze Weile reglos an, und ich fragte mich, ob er möglicherweise hackenkackendicht war. Er hatte diese stiere Art eines Schnapstrinkers kurz vor dem Umkippen.
    »Has hillst hu chon hihm?«
    Ich blies die Backen auf, dachte nach. Schließlich antwortete ich: »Sag ihm, es ist was Geschäftliches.«
    Bang, Klappe zu.
    Deckart, dachte ich, Deckart.
    Deckart, Deckart, Deckart, Deckart.
    Wie immer, wenn sich das blöde Kokain abbaut, überließ es das Feld dem nächsten, bis dahin überlagerten Wirkstoff. In meinem Fall also Champignoncremesuppe. Wild.
    So halb und halb hoffte ich, abgewimmelt zu werden, mich ins Bett verdrücken zu können, da schwang die Tür auf.
    Der Dicke klopfte mich einmal routiniert und gründlich von oben bis unten ab, wies dann hinter sich.
    »Hen Chang hunter, hann hechts.«
    »Schon mal Lutschbonbons versucht?«, fragte ich. Er zog eine kleine, runde Dose aus der Hosentasche und rappelte damit. Dann gab er mir einen Klaps ins Kreuz, der mich den kompletten Gang hinunterschickte.
     
    Deckart stand nicht auf, als ich in sein Büro kam, nahm weder die bestiefelten Füße vom Schreibtisch noch die Sonnenbrille von der Nase. Auch er war Biker, stellte ich zu meiner Überraschung fest. Aus welchem Grund auch immer hatte ich mir einen Schwulenbarbesitzer deutlich, tja, schwuler vorgestellt. Und schwule Biker sind noch seltener als schwule Fußballer und die, das weiß jeder, die gibt es gar nicht.
    »Karte«, knurrte er mich an.
    Ich fummelte eine meiner neutralen hervor. Die, die nichts preisgibt außer meinem Namen und meiner Telefonnummer.
    »Kryszinski«, las er langsam.
    Sein lockiges Haar hing offen bis über die Schultern, sein Bart reichte fast bis auf den Schmerbauch hinab. Beides war komplett ergraut, fast schon weiß. Die schwarze Ray-Ban weggedacht und die Tätowierungen und die schweren, silbernen Totenkopfringe, und ich wüsste um die Weihnachtszeit herum einen hübschen Nebenverdienst für ihn.
    »Buchstabier das mal.«
    »Kaerypsilonieneskai«, schnurrte ich herunter.
    »Brav«, meinte er. »Setzen.«
    Und an der Sprechweise würde man noch arbeiten müssen. Dieses latente, wie Rasierklingen kauende Drohen müsste raus aus dem Tonfall. Das ist doch eher was für Knecht Ruprecht.
    Vor dem Schreibtisch stand ein Drehstuhl. Ich besah ihn mir eine Weile, gab mir dann einen Ruck und ließ mich mit angehaltenem Atem darauf nieder.
    »Du hast Schmerzen«, beobachtete Deckart amüsiert.
    »Kleine Naht im Wanst«, meinte ich tapfer. »Zwölf Stiche.«
    Das ist eine Währung unter Bikern.
    »Pass auf, dass da nicht flott zwanzig draus werden«, konterte er.
    Der fette Bodyguard trat hinter meinen Stuhl und blies mir seinen Euka-Menthol-Atem ins Genick. Das Duo, ging mir auf, erinnerte mich in fataler Weise an die Wildecker Herzbuben.
    Was mir auch aufging, war, trotz Tinas Briefing nicht recht zu wissen, worauf ich mich hier eingelassen hatte. Deckart, Deckart … Ich spürte, ich brauchte noch einen Moment.
    »Hübsches Lokal da oben.«
    »Findest du.« Halb Frage, halb Vorwurf.
    »Ich wüsste gerne, woher das Interesse ausgerechnet an Schwulenkneipen kommt, bei einem … naja, Mann wie dir.«
    Deckart lehnte sich nach hinten, hob beide Arme ins Genick. Unter den rechten Bizeps hatte er »Fuck« tätowiert. Unter den Linken »You!«.
    »Diese Leute sind als Gäste spendabel, als Publikum ruhig. Ganz, wie ich es mag. Und solange sie ihr Geld rausforken, sag ich immer, bin ich unheimlich tolerant, was ihre sonstigen Angewohnheiten angeht.«
    Er ließ seine Armmuskeln hüpfen. Fuck … You!
    Noch hatte er nicht das geringste Interesse daran gezeigt, was ich eigentlich von ihm wollte.
    Deckart, Deckart …
    »Aber warum dann gleich diese Expansion, warum so viele?«
    Die Augen hinter den

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