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Bis zum Horizont

Bis zum Horizont

Titel: Bis zum Horizont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Paul Evans
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das ist bewundernswert. Ich finde, es ist mehr als das, ich finde, es ist männlich.«
    Das war vielleicht das größte Lob, das ich je von meinem Vater bekommen hatte. Fast instinktiv versuchte ich, es zu relativieren. »Ich hatte fast aufgegeben.«
    » Fast hat auf dieser Welt keine Konsequenzen. Nicht die geringsten. Du hast nicht aufgegeben, das ist das Einzige, was zählt.« Er legte seine Gabel hin und beugte sich vor. »Weißt du, warum Menschen auf Berge steigen?«
    Ich sah ihn verständnislos an. »Weil sie da sind?«
    »Weil das Tal der Ort für die Friedhöfe ist. Wenn das Schicksal zuschlägt, geben die Leute manchmal die Hoffnung auf. Sie glauben, dass sie nichts mehr vom Leben erwarten können. Dabei besteht die eigentliche Aufgabe doch darin herauszufinden, was das Leben von ihnen erwartet. Klingt das logisch?«
    »Klingt logisch«, sagte ich.
    »Und daher kann mein Buchhalter-Verstand nicht umhin zu fragen: Reichen deine finanziellen Mittel für die Reise?«
    »Ich denke schon. Ich habe ungefähr sechsundvierzigtausend Dollar.«
    »Solange du nicht im Vier Jahreszeiten absteigst, müsstest du damit eigentlich über die Runden kommen. Du trägst dieses ganze Geld hoffentlich nicht mit dir herum?«
    »Nein. Ich habe eine Kreditkarte und versorge mich an Geldautomaten. Falene hat unsere sämtlichen Vermögenswerte liquidiert und auf ein Konto eingezahlt.«
    »Ich finde, diese Gebühren bei den Geldautomaten sind eine Sauerei«, sagte er. Auf einmal klang er eher wie ein Buchhalter als wie ein Vater. »Aber das lässt sich vermutlich nicht vermeiden. Das Konto wird verzinst, nehme ich an?«
    »Das weiß ich eigentlich gar nicht.«
    Er runzelte die Stirn. Er konnte noch nie verstehen, warum ich in solchen Dingen so nachlässig war. »Na ja, wenn das Geld aus irgendeinem Grund knapp wird, komm zu mir. Es wird dich vielleicht wundern, aber ich habe einen ordentlichen Notgroschen auf die Seite gelegt.«
    »Das wundert mich überhaupt nicht. Du arbeitest hart, und du bist der genügsamste Mensch, der mir je begegnet ist. Wenn ich mehr wie du wäre, dann würde ich gar nicht erst in diesem Schlamassel stecken.«
    »Wenn du mehr wie ich wärst, dann wärst du ein gelangweilter, unglücklicher alter Mann.«
    Ich wunderte mich über seinen Kommentar.
    »Ich weiß, ich habe dich oft genug dafür zusammengestaucht, dass du so unverantwortlich mit deinem Geld umgehst, aber wenn ich ganz ehrlich bin, hat ein Teil von mir dich auch dafür bewundert. Du und McKale, ihr habt gelebt. Ihr hattet Spaß. Und jetzt hast du diese Erinnerungen. Ich habe es nicht getan, und du und deine Mom, ihr habt darunter gelitten. Ich habe darunter gelitten.«
    »Wir hatten auch gute Zeiten«, warf ich ein.
    »Natürlich hatten wir die, aber es waren doch nicht allzu viele. Ich habe Dinge aufgeschoben, die ich mit deiner Mutter unternehmen wollte, und das bedauere ich bis heute. An einem Weihnachten hat sie sich mehr als alles andere gewünscht, dass wir zusammen nach Italien fliegen. Sie hat mich beinahe angefleht. Sie sagte, sie würde sich sonst nichts zu Weihnachten oder ihrem Geburtstag wünschen, sie sagte, sie würde Coupons ausschneiden, einen Nebenjob annehmen und jeden Cent sparen. Sie hatte sogar schon einen Babysitter für dich organisiert.« Er schüttelte den Kopf. »Und ich Idiot, ich habe Nein gesagt. ›Zu teuer‹, habe ich gesagt. ›Geldverschwendung.‹ Stattdessen sind wir zum Yellowstone Park gefahren.«
    »An diese Fahrt nach Yellowstone kann ich mich erinnern«, sagte ich. »Ich denke sehr gern daran zurück. Wollte Mom denn nicht dorthin?«
    »Ich weiß nicht, ob sie nicht wollte, aber ich weiß, dass sie um alles in der Welt nach Italien wollte.« Auf einmal traten meinem Vater die Tränen in die Augen. »Ich wusste nicht, dass es unser letzter gemeinsamer Urlaub sein würde.« Er räusperte sich. »Das Schlimme ist, wir hatten das Geld – schon damals. Ich habe dieses ganze Geld für unseren Lebensabend gespart. Und was mache ich nun damit? Ich werde es jemand anderem geben. Ich lebe allein und gehe noch immer jeden Tag zur Arbeit. Ich werde niemals auch nur die Hälfte davon verbrauchen. Ich werde es dir hinterlassen. Ich sollte dir einfach schon jetzt alles geben. Du wüsstest, was du damit anfangen sollst.«
    »Ich würde es nur verlieren«, sagte ich. »Zumindest hätte ich das früher getan.«
    »Am Ende verlieren wir es alle. Vergiss das nicht. Am Ende besitzen wir gar nichts mehr.«
    Es war seltsam, diese

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