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Bis zum letzten Atemzug

Bis zum letzten Atemzug

Titel: Bis zum letzten Atemzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudenkauf
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waren. Und für den armen Ethan, der für sein Alter zu klein war und dessen kurze Beine und die Tatsache, dass sein Tisch in der von der Tür am weitesten entfernten Ecke des Raumes stand, dafür gesorgt hatten, dass auch er noch hier war. P. J. hingegen hätte als eines der ersten Kinder den Raum verlassen können, aber aus irgendeinem Grund war er geblieben und hatte auf Mrs Oliver gewartet. Nun waren P. J. und seine Schwester Augie mit dem Verrückten in diesem Klassenzimmer eingesperrt. Sie fragte sich, was Will Thwaite wohl im Moment dachte. Sehr wahrscheinlich waren die anderen Kinder, die aus der Klasse gelaufen waren, schon wieder sicher mit ihren Eltern vereint. Sie stellte sich Will vor, wie er draußen im eisigen Wind stand und darauf wartete, dass seine Enkelkinder auftauchten. Sie dachte an Holly Thwaite, erinnerte sich an sie als ein temperamentvolles Kind mit einem Kopf voller Unsinn und einem Körper, der angesichts der Möglichkeiten, die die Welt bot, ständig unter Strom zu stehen schien. Mrs Oliver hatte immer gewusst, dass Holly Broken Branch verlassen würde. Sie fragte sich, ob Holly in ihrem Krankenhausbett in Arizona wusste, was heute hier mit ihren Kindern in der Stadt passierte, in der sie aufgewachsen war, in dem Klassenzimmer, in dem sie von einem anderen Leben geträumt hatte.
    Hollys Tochter beobachtete die Tür, und Mrs Oliver wusste, was sie dachte. Sie versuchte, Augie zu übermitteln, ruhig zu bleiben, aber ihr Mund schmerzte zu sehr, und sie brachte nicht mehr als einen schwachen Gurgellaut hervor. Mit entschlossener Miene stürzte Augie sich auf den Mann und versuchte, ihm die Waffe zu entreißen, doch er hob nur den Arm über seinen Kopf und machte einen großen Schritt zur Seite. Als sie stolperte, packte er Augie am Hals und fing an, sie durch den Raum zu schleifen.
    »Hey!«, protestierte Augie, während RJ. versuchte, seine Schwester aus dem Griff des Mannes zu befreien. Ungeduldig schubste der den Jungen zu Boden und zog Augie zu dem Wandschrank.
    Mrs Oliver humpelte auf den Mann zu. Das ist nun das Ende, dachte sie. Ganz sicher würde er sie jetzt umbringen, doch sie konnte nicht einfach zusehen, wie er die Kinder herumschubste. »Bleiben Sie, wo Sie sind«, befahl er, und ein neuer Unterton in seiner Stimme veranlasste Mrs Oliver, wie erstarrt stehen zu bleiben und hilflos zuzusehen, wie zum zweiten Mal an diesem Tag ein Kind in den Schrank gesperrt wurde.

MEG
    Aaron ignorierend und ohne einen Blick zurückzuwerfen, eile ich über den verschneiten Parkplatz. Der Himmel ist mit dunkelblauen Flecken übersät, als wäre er verprügelt worden, und es wird immer dunkler. Der Schneefall hat für den Moment aufgehört, und auch der Wind bläst nicht mehr, so als halte er in Erwartung dessen, was als Nächstes kommt, den Atem an. Mein Herz rast. Auf dem Weg zum Schulgebäude nutze ich die ausgetretenen Pfade der geflüchteten Schüler und nähere mich schließlich dem Eingang zur Sporthalle, wo ich vorhin Augie Baker getroffen habe. Mit meiner Taschenlampe schlage ich die Scheibe ein, stecke meinen Arm durch das Loch und öffne die Tür von innen.
    Ich denke an Maria und was ich wohl anders gemacht hätte, wenn sie heute in der Schule gewesen wäre. Chief McKinney hätte mich vermutlich mit der Begründung nach Hause geschickt, dass ich selber betroffen sei und unmöglich professionell und objektiv handeln könne, wenn meine Tochter von einem Bewaffneten als Geisel gehalten wird. Ich frage mich, ob ich seinem Befehl gehorcht oder mich widersetzt hätte. Ich spreche ein stummes Dankgebet, dass Maria meilenweit entfernt ist und sicher und gesund bei Tims Eltern auf der Couch sitzt. Eine Welle des Zweifels rollt über mich hinweg. Einen Moment denke ich über die Möglichkeit nach, dass Tim da oben in Marias Klassenzimmer steht, eine Pistole in der Hand, mit einer Lehrerin und mehreren Schülern als Geiseln, und wegen einer mir unbekannten Sünde, die ich begangen habe, nach mir verlangt. Hätte ich seine Einladung, die Frühjahrsferien mit ihm und Maria zu verbringen, nicht ablehnen sollen? Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Obwohl Tim und ich Zeiten hatten, in denen wir einander nicht sonderlich gut leiden konnten, haben wir uns gegenseitig doch immer auf eine ganz besondere Art geliebt. Ich schiebe den Gedanken beiseite und bereite mich mental auf eines von vier Szenarien vor. Erstens, der Mann da oben ist jemand, den ich in der Vergangenheit verhaftet habe.
    Jemand,

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