Bis zum letzten Atemzug
und sie benutzen dann eine Bürste, um sie abzuschrubben.«
»Kann ich mit Mom sprechen?«, hatte P. J. gefragt und ungeduldig an Wills Ärmel gezogen. »Ich will ihr erzählen, dass Nummer dreiundsechzig ausgebrochen ist und wie Daniel und ich sie wieder eingefangen haben.«
»Nicht heute, P. J.«, hatte Will ihm gesagt. »Deine Mom fühlt sich heute nicht so gut.«
»Aber ich will es ihr erzählen. Das muntert sie bestimmt auf.« P. J. war auf- und abgesprungen und hatte versucht, Will den Hörer aus der Hand zu nehmen.
»Ich habe Nein gesagt.« Das war schärfer herausgekommen als beabsichtigt. P. J. hatte seinen Großvater mit großen Augen angeschaut, in denen sich Schmerz und Verwirrung spiegelten, und war mit hängenden Schultern aus dem Zimmer geschlurft.
An dem Abend hatte Will lange am Küchentisch gesessen, den Kopf in die Hände gestützt, und hatte bei dem Gedanken an die Schmerzen, die seine Tochter erleiden musste, haltlos geweint. Ihm ging die ganze Zeit nur ein Gedanke durch den Kopf: Wenn sie eine bessere Beziehung miteinander gehabt hätten, wenn er geduldiger mit ihr gewesen wäre, verständnisvoller, hätte Holly Broken Branch niemals verlassen, und nichts von all dem wäre je passiert. Irgendwann kam Augie in die Küche und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ist mit Mom alles in Ordnung?«, hatte sie mit angsterfüllter Stimme gefragt.
Will war unter der unerwarteten Berührung zusammengezuckt, was Augie veranlasste, zwei Schritte zurückzutreten. Er beeilte sich, sich mit dem Handrücken die Tränen abzuwischen. »Es wird alles wieder gut«, sagte er brüsk und vermied es, Augie in die Augen zu sehen.
»Okay«, erwiderte sie mit dünner, zögernder Stimme. Dann nahm sie allen Mut zusammen und fragte: »Geht es dir gut, Grandpa?«
»Ja, ja, alles gut.« Er schob den Stuhl nach hinten und stand auf. »Ich muss nach den Kühen schauen«, sagte er und ging mit großen Schritten zur Tür.
»Tut mir leid, dass ich gefragt habe«, rief Augie ihm hinterher. »Ich wollte nur nett sein. Mein Fehler.«
»Weißt du, Augie, es dreht sich nicht immer alles um dich«, hatte er geantwortet, ohne sich auch nur zu ihr umzudrehen.
Jetzt saß er in seinem Pick-up und beobachtete die panischen Eltern, die sich aus Sorge um ihre Kinder an der Schule versammelten, und schämte sich. Augie, so stur und unvernünftig sie auch meistens war, hatte eine Hand nach ihm ausgestreckt, hatte ihm eine Liebenswürdigkeit entgegengebracht, die er nicht anerkannt hatte. Obwohl keiner von ihnen den Vorfall jemals wieder erwähnt hatte, war an diesem Abend eine neue Distanz zwischen ihnen entstanden. Augie benahm sich niemals unhöflich oder respektlos ihm gegenüber, verschwendete aber gleichzeitig nur so wenig Worte wie eben nötig an Will. Es war, als hätte sie entschieden, dass er die Mühe nicht wert wäre, und manchmal fragte Will sich, ob sie damit nicht recht hatte.
Er schaute zu dem Gewehr auf dem Beifahrersitz und schüttelte beschämt den Kopf. Er benahm sich wie ein lächerlicher alter Hitzkopf. Eine Waffe mit an einen Tatort zu bringen. Gute Gelegenheit, erschossen zu werden, dachte er. Die Polizei brauchte seine Hilfe vielleicht nicht, obwohl er Lieutenant bei den Marines und in Vietnam gewesen war. Aber sobald er ein klares Bild davon hatte, was in der Schule vor sich ging, würde er Unmengen an Vorschlägen und Ideen haben, was die Polizei tun könnte. Und er hätte auch kein Problem damit, ihnen zu sagen, wie genau sie dabei vorgehen sollten.
AUGIE
Ich habe Beths Dad nie kennengelernt. Zu dem Zeitpunkt, als P. J. und ich nach Broken Branch kamen, hatte Beth mit ihrer Mutter und ihren Schwestern bereits die Farm verlassen und war in ein kleines Haus ein paar Straßen von der Schule entfernt gezogen. Beth sprach nicht viel über das, was zwischen ihren Eltern vorgefallen war, aber ich wusste, es musste ziemlich heftig gewesen sein. Eines habe ich sehr schnell über das Leben in einer Kleinstadt gelernt: Die Männer sind genauso große Klatschbasen wie die Frauen; abgesehen von meinem Grandpa. Das ist vielleicht das einzig Gute an ihm – er spricht niemals schlecht über andere Leute. An unserem zweiten Tag in Broken Branch hat er P. J. und mich mit zur Tankstelle genommen, wo sich morgens die ganzen alten Farmer treffen. Sie standen um den Ständer mit den Kartoffelchips herum, tranken Kaffee und sprachen über einen Mann namens Ray und eine Frau namens Darlene.
»Ich habe gehört, dass sie
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