Bis zum letzten Atemzug
schnell. Ihr Ärmel berührte den Brenner kaum, aber dennoch fing er sofort Feuer, das ihren Arm hinaufkrabbelte wie ein fetter Käfer. Ich sehe immer noch das Gesicht meiner Mutter vor mir, Sekunden bevor das Feuer auf ihre Haare übergriff. Ihr Mund ein perfektes rundes O, aber es sind ihre Augen, die ich nicht vergessen werde. Das Entsetzen, dieser Blick, der sagte: »Das kann nicht wahr sein.«
Das Feuer entzündete alles, was von dem verschütteten Olivenöl bedeckt war. Wie eine brennende Dominoreihe gingen ein Stapel Zeitungen und Magazine auf der Arbeitsplatte in Flammen auf, eine Ecke der Gardinen, die Küchenschränke. Instinktiv trat meine Mom an die Spüle und versuchte, das Feuer zu löschen, indem sie sich Wasser über die Hände laufen ließ und es sich ins Gesicht spritzte. Mein Jahr bei den Pfadfinderinnen kam mir in den Sinn. Öl und Wasser vermischen sich nicht. Mehl. Ich packte die Dose in Form eines Hahns, die meine Mutter letztes Jahr auf einem Tauschmarkt in Phoenix entdeckt hatte, nahm den Deckel ab und schüttete das Mehl über sie. Das weiße Pulver bedeckte ihr Gesicht, löschte die Flammen, die ihr Haar auf der linken Seite aufgefressen und aus ihrem linken Ohr eine verkohlte Sauerei gemacht hatten. Der Geruch nach verbranntem Haar und verbrannter Haut ließ mich würgen, aber ich versuchte, das verbliebene Mehl aus dem Hahn über ihren Arm zu schütten, der immer noch in Flammen stand.
»Halt. Lass dich fallen und wälze dich hin und her«, hörte ich P. J. rufen, und meine Mutter musste es auch gehört haben, denn sie fiel auf die Knie und rollte sich auf dem Fußboden, bis das Feuer aus war. Die Vorhänge und Küchenschränke brannten immer noch, und dichter Rauch füllte den Raum und meine Lungen. Meine Mutter kämpfte sich auf die Füße und rief nach P. J., der plötzlich verschwunden war. Ich versprach, ihn zu finden, und schob sie Richtung Haustür.
Nun bin ich wieder dabei, P. J. zu finden und ihn in Sicherheit zu bringen. Aber wenigstens ist es dieses Mal nicht meine Schuld.
MRS OLIVER
Mrs Oliver war froh, dass sie wenigstens noch Gelegenheit gehabt hatte, Cal zu sagen, dass sie ihn liebte. Doch sie schämte sich, dass ihre Tat der Grund sein könnte, warum ihre Schüler diese Worte ihren Familien gegenüber womöglich nicht mehr aussprechen konnten. Sie erwartete einen lauten Knall, und sie erwartete Schmerzen. Stattdessen hörte sie nur ein scharfes Klopfen und spürte gar nichts. Erschossen zu werden ist also vollkommen schmerzfrei, dachte sie. Sie wagte es, ihre Augen zu öffnen, und unter dem Arm des Schützen hindurch sah sie, dass die Tür zum Klassenzimmer geöffnet wurde. Der Druck gegen ihre Wange verschwand, und eine Stimme durchbrach die Stille.
MEG
Ich halte am Rand des Weges, der zum Haus der Craggs führt, stelle die Automatik auf Parken und schalte die Scheinwerfer aus. Ich will sichergehen, dass ich schnell wegfahren kann, wenn ich es muss. Mir fällt auf, dass der Schnee, der den Weg bedeckt, erst kürzlich befahren worden ist, was bedeutet, dass innerhalb der letzten Stunde jemand hier entlanggekommen sein muss. Ein leicht mit Schnee bestäubter Truck parkt auf der Auffahrt, aber das heißt nicht viel; die meisten Farmer haben mehrere Fahrzeuge, und Cragg könnte schon früher am Tag weggefahren sein. Der Truck könnte auch Rays Vater gehören, der, entgegen aller guten Ratschläge, immer noch Auto fährt.
Ich kann kein Licht sehen, aber ein struppiger Retriever sitzt zitternd auf den Stufen zur Haustür. Großartig, ein Hund. Er sieht zwar freundlich aus, aber ich öffne trotzdem vorsichtshalber mein Handschuhfach und hole ein paar Leckerchen heraus, die ich genau für diesen Zweck dort aufbewahre. Als ich mich dem Hund nähere, klopft er mit dem Schwanz auf den Boden. Ich breche den Hundekeks durch und werfe ihm die eine Hälfte zu. Er schluckt ihn, ohne zu kauen, und schaut mich erwartungsvoll an, ob da noch mehr kommt.
»Einen Moment, mein Mädchen«, sage ich und geselle mich zu ihr. Die Craggs haben ein zauberhaftes zweistöckiges Haus, das weiß gestrichen ist und schwarze Fensterläden hat. Im Erdgeschoss hängen Blumenkästen an den Fenstern, von denen ich mir vorstelle, dass sie im Sommer mit Stiefmütterchen und Geranien bepflanzt sind. Jetzt sind sie bis zum Rand mit Schnee gefüllt. Ich lasse den Hund einen Moment an mir schnüffeln, und als ich sicher bin, dass er mich nicht anfallen wird, drücke ich auf die Klingel. Ich lausche auf
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