Bis Zum Letzten Tropfen
Jackentasche steckt.
Er nickt ebenfalls und hält mir die Tür auf.
Ich gehe an ihm vorbei, klopfe ihm zum Dank auf die Schulter und beobachte ihn, während er die Treppe hinaufgeht. Dann lasse ich die Tür los, nur um sie im letzten Moment am Zufallen zu hindern.
Ich halte einen Schlüssel in der Hand. Er ist mir da reingefallen, als ich ihm die Tasche aufgeschlitzt habe, während wir beide in der Tür standen. Er ist breit und dick und hat auf beiden Seiten einen Bart. Ich stecke ihn in das Schloss, um sicherzugehen, dass ich damit auch wieder von hier verschwinden kann. Er passt.
Nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen habe, blocken der Stahl und die zwanzig Meter Felsgestein über meinem Kopf endlich den Lärm ab und reduzieren ihn zu einem leisen, unaufhörlichen Brummen. Die feuchten Wände sind aus Kalkstein, gestützt von rostigen Stahlträgern. Schimmernde Glühbirnen stecken in ziemlich weit oben angebrachten Keramikfassungen.
Türen.
Die erste steht offen und gibt den Blick auf eine Reihe von Pritschen frei. Auf dem Boden ist Linoleum verlegt, das mit Nägeln befestigt wurde. An den Steinwänden hängen zerfetzte Pin-up-Poster. Ich erkenne einen kleinen Kühlschrank, eine Kaffeemaschine und eine Mikrowelle.
Ich halte mir jeweils ein Nasenloch zu und puste kräftig, um mich von Staub und Schleim zu befreien. Dann hole ich tief Luft. Der Raum riecht nach Männern, die gezwungen sind, auf engstem Raum zu leben. Wie in einer Feuerwache oder einer Kaserne.
Aber ich rieche noch etwas anderes.
Wenn ich die Augen schließe und mich konzentriere, kann ich das Vyrus riechen.
Und Blut. Viel Blut.
Ich mache die Augen wieder auf. Menace hat sie vielleicht nicht mehr alle, aber trotzdem ist hier definitiv etwas im Gange.
Ich verlasse den Raum und schleiche den Flur hinunter. Ich komme an einem Badezimmer vorbei. Duschköpfe ragen aus der Decke, daneben ein paar dreckige Urinale und leere Toilettenkabinen. Erinnert mich irgendwie an das Gemeinschaftsbad im Whitehouse.
Am Ende des Korridors befindet sich ein Lagerraum mit Konservendosen, Bierkästen, Großpackungen von Törtchen und Schokoriegeln und palettenweise Klopapier.
Ich gehe zur Treppe zurück.
Tiefer.
Noch tiefer.
Der Schlüssel öffnet auch die nächste Tür. Ein ähnlicher Korridor. Weitere Türen.
Und weitere Geräusche. Gerüche.
Das Vyrus. Die Spur ist noch frisch.
Erste Tür. Kein Gemeinschaftsquartier, sondern nur ein einzelnes Bett samt Matratze. Blut auf der Matratze. Eingetrocknete Spritzer und Schmierer. Ich gehe in die Hocke und sehe Fesseln an den vier Ecken des Stahlrahmens. Mein eigenes Blut pocht wie wild in meinem Schädel. Jeder Herzschlag trübt meine Sicht. Ich öffne das Rasiermesser und schneide mir tief in den Daumen. Der Schmerz schärft meine Sinne.
Der nächste Raum ist verschlossen, doch mein Schlüssel passt.
Noch ein Bett.
Fesseln.
Und ein nacktes Mädchen, das ans Bett gefesselt ist. Sie sieht mich an, öffnet und schließt den Mund, öffnet und schließt die Hände in den Metallringen und spreizt die Beine.
– Hey, hier ist besetzt, Mann.
Ich drehe mich um und sehe den Mann hinter mir an. Er trägt nur eine Unterhose, ein T-Shirt und Stiefel. Der Kiesstaub hat sich tief in die Falten seines Gesichts und seiner Hände eingegraben. Ich bemerke den Klamottenhaufen in der Ecke.
– Bist du taub, Mann? Ich hab Feierabend. Die hab ich mir raufbringen lassen. Hol dir selber eine.
Das Mädchen zuckt zusammen, als das Blut des Mannes auf sie spritzt.
Mit einem Schlüssel, der an der Wand hängt, lassen sich die Fesseln lösen. Sie liegt einfach nur da, öffnet den Mund und schließt ihn wieder, deutet mit den Händen darauf und spreizt die Beine noch weiter. Ich setze sie auf, und sie versucht, sich an mir zu reiben. Als ich die Arbeitsjacke des Mannes aufhebe, fällt ein in Plastikfolie verpacktes Törtchen heraus. Das Mädchen sieht es und fängt an zu wimmern. Ich hebe es auf und gebe es ihr. Sie packt es aus und stopft es sich in den Mund. Ich finde noch mehr Törtchen in der Jacke und gebe ihr alle, dann bedecke ich sie mit der Jacke, während sie isst. Ich spüre deutlich die Knochen, die unter ihrer Haut hervorstechen.
Ich versuche, ihren Arm in den Jackenärmel zu stopfen und ertaste etwas Hartes. Ein Katheter samt Plastikbeutel hängt an ihrem Unterarm, gehalten von Piercingringen aus Chirurgenstahl.
Der sterbende Mann hat es bis in den Korridor hinaus geschafft. Über den Boden zieht sich eine
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