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Bis zur letzten Luge

Bis zur letzten Luge

Titel: Bis zur letzten Luge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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gehen können.“
    „Ins Gelobte Land?“ Sie schnalzte ungläubig mit der Zunge. „Daran habe ich nie geglaubt, und ich tue es noch immer nicht. Willst du mir wirklich erzählen, dass es anderswo besser ist als hier? Dass die Leute in New York oder San Francisco, wenn du dort bist, zuerst den Menschen in dir sehen? In dieser Stadt verstehe ich wenigstens, was passiert. Ich muss mich nicht an eine ganz neue Art von Rassismus gewöhnen. Und wenn ich meinen kleinen Jungs und Mädchen beibringe, wer sie sind, was sie tun müssen, um stolz auf sich sein zu können, weiß ich genau, was ich sagen muss.“
    „Und das ist der Grund, warum du hiergeblieben bist?“ „Das ist meine Heimat. Niemand wird mich hier vertreiben. Diese Stadt gehört mir genauso wie den anderen. Und ich kann etwas verändern.“
    Ihre Worte waren wie ein Echo dessen, was Nicky schon vor Jahren zu Phillip gesagt hatte. Er hatte ihre Entscheidung, in New Orleans zu leben, hinterfragt. Sie hatte damals erwidert, dass sie keinen Ort kenne, an dem sie dringender gebraucht würde. Ihre Musik konnte Türen öffnen.
    Und sie hatte Türen geöffnet: Vom ersten Tag an hatte der Club Valentine Schwarzen und Weißen offengestanden. Denn Nicky Valentine Reynolds hatte in einer für die Rassentrennung bekannten Stadt niemals ein nach Rassen getrenntes Publikum geduldet. Die Weißen hielten sich zuerst fern; nach und nach aber waren sie doch gekommen, angelockt durch Nickys weltberühmte Stimme. Im Club Valentine in der Basin Street war Integration schon lange gelebt worden, bevor sie in öffentlichen Schulen, Schwimmbädern und Imbisslokalen Einzug gehalten hatte.
    Ihm wurde klar, dass er Nicky heute Abend doch sehen wollte. Er wollte sie auf dieser Bühne in der Basin Street stehen sehen – ein Objekt der Bewunderung und der unverhohlenen Hingabe. Er wollte sie dort oben stehen sehen und wissen,dass nichts, was Aurore Gerritsen ihr angetan hatte, dem aufgeweckten Geist seiner Mutter geschadet hatte.
    Er wollte herausfinden, was er nun tun sollte.
    „Ich schätze, du hältst mich für verrückt“, sagte Belinda. „Nein. Ich denke, du hast schon Dinge verstanden, über die ich noch nicht einmal nachgedacht habe.“
    „Es freut mich, meine Weisheit mit dir teilen zu können.“ „Du teilst mehr als nur das mit mir. Du teilst alles mit mir.
    Warum?“
    „Hast du das auch noch nicht herausgefunden?“
    „Bei dem Deal springt für dich nicht viel heraus.“
    „Ich bekomme dich. Manchmal zumindest. Bisher hat mir das gereicht.“ Sie erhob sich. „Ich kann das Abendessen machen.“
    „Nein. Ich ziehe mich nur um, und dann können wir gehen.“
    „Bevor du deine Sachen suchst: Ich habe Platz in meinem Kleiderschrank gemacht und deine Sachen neben meine gehängt. Du kannst sie wieder zusammenfalten und zurück in deinen Koffer legen, wenn du willst. Es ist deine Entscheidung.“
    Er beobachtete jeden von Belindas Schritten, als sie das Zimmer verließ. Seine Mutter bewegte sich mit der gleichen stolzen Anmut. Phillip hätte nie damit gerechnet, eine Frau kennenzulernen, die den Kopf genauso hoch erhoben hielt wie Nicky. Doch diese Frau tat es.
    Und trotz all der Dinge, die sie an diesem Tag gebeichtet hatte, tat es auch eine alte Dame in der Prytania Street.
    Der Club Valentine war schon sehr gut besucht, als Phillip und Belinda ankamen. Es duftete nach Köstlichkeiten der kreolischen Küche. Sie wurden an ihren Platz vor der Bühne gebracht, ehe Jake zu ihnen kam. Er küsste Belinda sanft und bestellte, ehe sie noch widersprechen konnten, etwas von allem für sie.
    „Die gefüllten Artischocken sind besonders gut“, sagte Jake und ließ sich neben Belinda auf einen Stuhl fallen. „Und die Krebse sind heute Morgen aus einem Bayou südlich von hier geholt worden.“
    „Wo ist Nicky?“, fragte Phillip. Er rief seine Mutter fast ausschließlich bei ihrem Vornamen. Keiner von ihnen wusste, wie es dazu gekommen war. Es war einfach immer so gewesen.
    „Sie kommt nicht gern nach vorn, bevor sie singt. Zu viele Fragen und Bitten. Aber ich werde ihr sagen, dass ihr hier seid.“
    „Wir können sie auch überraschen.“
    „Sie wird sich freuen, dass ihr gekommen seid. Es ist der letzte Abend, an dem sie der Star ist. Ab morgen kommt eine Gruppe aus Savannah. Nicky braucht vor Mardi Gras eine Auszeit. Denn dann wird es hier richtig voll.“
    Nickys bevorstehende Auszeit war der perfekte Zeitpunkt, um ihr zu sagen, dass Aurore Gerritsen ihre Mutter war. Sie

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