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Bis zur letzten Luge

Bis zur letzten Luge

Titel: Bis zur letzten Luge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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Mann schwankte, als würde er ihrer Aufforderung gern nachkommen, wenn er sich nur daran erinnern könnte, wie. Der Saxofonist, der ungefähr die gleiche Statur wie Jackson hatte, ging zu dem Mann, um ihm von der Bühne zu helfen. Aus den Augenwinkeln sah Phillip, dass auch Jake zu ihnen kam. Das wäre das Ende des Zwischenfalls gewesen und hätte es auch sein sollen. Wenn nicht die Polizei erschienen wäre.
    Phillip wusste nicht, woher die beiden Polizisten gekommen waren. Sie waren weiß, wodurch sie an diesem Abend in der Minderheit waren, und sie waren so jung, als hätten sie gerade erst die Polizeiakademie abgeschlossen. Der Polizist mit dem blonden Bürstenhaarschnitt wirkte, als wäre ihm die Situation unangenehm und als wäre ihm klar, dass sie sich eigentlich nicht einmischen sollten. Der andere, dunkelhaarig und mit platter Nase, war offenbar in seinem Element. Er bahnte sich seinen Weg, stieß Leute zur Seite, die nicht zur Seite gestoßen werden mussten, und schob Tische weg, während er nach vorn ging. Er hatte seinen Schlagstock in der Hand und klopfte damit bei jedem Schritt auf seinen Schenkel.
    Phillip sah die nächsten paar Sekunden so deutlich vor sich, wie er den dunkelhaarigen Polizisten sah, der Richtung Bühne stürmte. Der Club Valentine war im Rassenkonflikt eigentlich eine neutrale Zone. Hier herrschte eine Art Waffenstillstand, ausgerufen von seiner Mutter und verteidigt von allen, die durch die Tür kamen – egal, ob schwarz oder weiß. Doch der Polizist, dieser eingebildete, unbesonnene Vertreter der Welt vor den Türen des Clubs, konnte all das zunichtemachen. Wenn er den Betrunkenen von der Bühne zerrte und ihn vor aller Augen verprügelte, würde die Hölle losbrechen.
    Phillip war aufgestanden und stellte sich dem Polizisten in den Weg, ehe er überhaupt die bewusste Entscheidung getroffen hatte einzugreifen. „Officer.“ Er rührte sich nicht und lächelte auch nicht. „Es gibt keinen Grund, sich Sorgen zu machen. Wir haben alles unter Kontrolle.“ Er stand mit dem Rücken zur Bühne, aber er wusste, dass der Betrunkene hinter ihm schnell weggebracht wurde.
    „Gehen Sie mir aus dem Weg!“
    Phillip machte einen Schritt auf den Polizisten zu, senkte die Stimme und hob die Arme leicht an, um zu zeigen, dass er keine Bedrohung darstellte. „Ich bin Phillip Benedict. Meiner Mutter und meinem Stiefvater gehört dieser Club. Wir wissen Ihre Besorgnis zu schätzen, und wir sind froh, dass Sie den Mut besitzen, diesen Job zu machen, denn er erfordert Mut. Aber wenn Sie die Hand gegen diesen Mann erheben, werden all diese Leute sich auf Sie stürzen wie Bienen auf Honig.“
    Der Polizist legte seine Hand an Phillips Schulter und wollte ihn unsanft aus dem Weg schieben, doch Phillip war vorbereitet. Er rührte sich nicht von der Stelle. „Hören Sie“, sagte er gerade so laut, dass der Polizist ihn hören konnte, sonst jedoch niemand. „Wenn Sie mich noch einmal stoßen, werde ich zu Boden gehen. Dann sind Sie in null Komma nichts unter einem Haufen von Menschen begraben. Undich höre praktisch schon, was der Bürgermeister sagen wird, wenn Sie hier Probleme machen. Nicky Valentine lockt Besucher in die Stadt – vor allem in dieser Zeit des Jahres. Wollen Sie als der Mann bekannt werden, der in ihrem Club Ärger gemacht hat?“
    Einen Moment lang fürchtete Phillip, dass der Polizist ihm nicht zuhören würde. Der Officer wollte Streit, und er wollte derjenige sein, der ihn vom Zaun brach. Schlimmer noch: Er wollte den Streit ausgerechnet hier, an einem Ort, der für Toleranz bekannt war. Deshalb war er hier – er wollte sich selbst und Menschen, die so waren wie er, etwas beweisen. Er wollte beweisen, dass schwarze und weiße Menschen keinen Spaß zusammen haben konnten, ohne dass es zu einer Auseinandersetzung kam.
    „Passen Sie auf, dass Ihre Leute nicht aus der Reihe tanzen“, knurrte der Polizist. „Wir wollen keine Nig…“
    „Ich würde diesen Ausdruck hier und jetzt lieber nicht verwenden“, unterbrach Phillip ihn ruhig. „Oder ‚meine Leute‘, wie Sie sie nennen, werden Schlange stehen, um bei Ihnen zum Zuge zu kommen.“
    Der Polizist mit dem Bürstenhaarschnitt tauchte hinter seinem Partner auf. „Komm schon. Es ist alles ruhig hier. Lass uns gehen.“ Er sah Phillip an und schüttelte einmal kurz den Kopf. Es war eine fast unmerkliche Geste, aber mehr, als Phillip erwartet hätte. Dieser Polizist wusste, was sein Partner war, und er hieß seine Gesinnung

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