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Bis zur letzten Luge

Bis zur letzten Luge

Titel: Bis zur letzten Luge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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nicht gut.
    „Ich werde Sie mit einem Lied nach draußen begleiten, meine Herren“, sagte Nicky hinter ihnen auf der Bühne. Als wenn es so geplant gewesen wäre, stimmte sie The Times They Are a-Changin’ an. Phillip hatte diesen Bob-Dylan-Song noch nie von ihr gehört. Als Nicky die zweite Strophe anstimmte, waren die Polizisten verschwunden. Phillip nahm wieder Platz.
    Die Gäste pfiffen und stampften begeistert mit den Füßen,als der Song zu Ende ging. Selbst als Nicky die Bühne verlassen hatte, dauerte der Beifall noch an. Sam beugte sich mit ernster Miene über den Tisch. „Haben Sie je darüber nachgedacht, in die Politik zu gehen?“, fragte er Phillip.
    „Soweit ich weiß, bin ich immer noch schwarz.“
    „Die Zeiten ändern sich tatsächlich . Es dauert nicht mehr lange, bis wir Männer wie Sie brauchen, die sich hier um öffentliche Ämter bewerben. Diese Stadt wird der Korruption ein Ende setzen.“
    „Wenn ich mich nicht irre, habe ich Schwierigkeiten, in New Orleans zu wählen – geschweige denn das Recht, nach dem Amt des Bürgermeisters zu greifen.“
    „Sam hat recht“, sagte Jackson. „Wir brauchen Sie hier. Wir suchen Männer, die keinen Rückzieher machen und auch nicht nach oben buckeln. Gebildete Männer, die unbeugsam sind.“
    „Das ist nicht meine Stadt und auch nicht mein Zuhause.“ Die Worte kamen Phillip ganz leicht, wie selbstverständlich, über die Lippen. Der Zwischenfall mit dem Polizisten stand für alles, was er am Süden hasste. Er war gezwungen worden, sich hineinziehen zu lassen und Partei zu ergreifen – etwas, das ein guter Journalist niemals tat. Und jetzt spürte er eine Verbindung, die er nicht spüren wollte. Er hatte an jedem Tag seiner Karriere Stellung bezogen, doch es war unpersönlich, sachlich gewesen, und in seinem Innern hatten anschließend keine Gefühle getobt, zu denen er sich nicht bekennen wollte.
    „Es könnte Ihr Zuhause sein“, sagte Sam.
    „Nein. Ich glaube nicht, dass es das je sein könnte.“ Phillip sah Belinda an und las seine Antwort in ihren Augen. Ihre Miene änderte sich nicht, aber er wusste, dass sich zwischen ihnen etwas verändert hatte.
    Und auch das wühlte Empfindungen auf, die er sich nicht eingestehen wollte.
    Als er am nächsten Morgen aufstand, war Belinda nicht da. Sie ging immer früh zur Schule, doch an diesem Morgen hatte sie das Haus offenbar schon kurz nach Morgengrauen verlassen. Die Sonne war kaum aufgegangen, und nur der Ruf einer Spottdrossel unterbrach die Stille im Viertel.
    Sie hatten nicht gestritten, nachdem sie am vergangenen Abend nach Hause gekommen waren. Phillip hatte versucht, zu erklären, was er zu Sam gesagt hatte, aber er hatte nicht in Worte fassen können, was dahintergestanden hatte. Er hatte Belinda nicht von Aurore Gerritsen und den Vorurteilen erzählen können, die sie dazu gebracht hatten, seine Mutter im Stich zu lassen. Er hatte ihr nicht von seinem Abscheu erzählen können, von einem Mann wie Lucien Le Danois abzustammen, der lieber sein eigenes Kind umbrachte, als dessen Existenz zuzugeben.
    Was hatte er über seine louisianischen Wurzeln gelernt, das in ihm den Wunsch geweckt hätte, an diesem Ort zu bleiben?
    In der Küche fand er frisch aufgebrühten Kaffee, doch keine Nachricht. Während er die Morgenzeitung las, trank er eine Tasse. Aber als er zum Schrank ging, um sich frische Kleider zu holen, wusste er noch immer nicht, was er mit dem Tag anfangen sollte.
    Er machte die Schranktür auf und starrte auf seinen Koffer, der auf dem Boden des Schrankes lag. Letzte Nacht hatten seine Kleider noch neben Belindas gehangen, doch jetzt war der Koffer gepackt.
    Er musste ihn nur noch schließen und konnte sich dann wieder auf den Weg machen.

26. KAPITEL
    A zaleen blühten am Ende des Gartenweges. Azaleen im Februar – allerdings nur, weil der neue Gärtner sie versehentlich an der Südseite von Aurores Garten gepflanzt hatte. Jetzt hoben die purpurroten Blüten ihre prächtigen Gesichter der Wintersonne von New Orleans entgegen wie Badeschönheiten an der französischen Riviera. Aber im August wären die Büsche dann verkümmert und tot.
    Der warme Nachmittag hatte Aurore nach draußen gelockt, um eine Stunde auf der Steinbank neben ihrem Goldfischteich zu verbringen. Sie hatte sich ein Buch mitgebracht. Doch statt zu lesen, hatte sie die Fische und die dicke braune Kröte beobachtet, die im kühlen Schatten eines Steins döste und von Moskitos träumte.
    Sie hörte Phillips

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