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Bis zur letzten Luge

Bis zur letzten Luge

Titel: Bis zur letzten Luge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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es das Kind meines Vaters?“
    Er starrte sie an. „Von welchem Kind sprichst du?“
    Sie sah ihm an, dass er allmählich verstand. Bis zu diesem Punkt hatte sie ihm seine Geschichte nicht geglaubt. Doch als nun für einen kurzen Moment ein Ausdruck von Trauer in seinen Augen aufflackerte, wusste sie es. Sie wusste es einfach.
    „Nein!“ Sie wandte den Blick ab, schlug die Hand vor den Mund.
    „Ich habe nicht gewusst, dass sie schwanger gewesen ist. Das hat sie mir verheimlicht – ihm aber offensichtlich nicht.“
    „Selbst wenn das alles wahr sein sollte: Wie kannst du meinem Vater die Schuld für das geben, was geschehen ist? Er wäre gestorben, wenn er das Seil nicht losgelassen hätte! Wirfst du ihm ernsthaft vor, dass er sein eigenes Leben gerettet hat, als alles hoffnungslos zu sein schien?“
    Rafe lachte bitter auf. „Stand das so in den Briefen?“ „Wie ist es denn dann gewesen?“
    Er umfasste ihr Kinn und hob ihr Gesicht an, sodass sie ihn anschauen musste. „Willst du das tatsächlich wissen, Aurore? Oder willst du lieber weiterhin glauben, ich hätte keinen Grund für mein Handeln gehabt? Das ist sicher die leichtere Lösung. Und mittlerweile hast du dich ja anscheinend daran gewöhnt.“
    Sie löste sich aus seinem Griff, zuckte bei seinen Worten aber nicht zurück. „Was soll ich denn glauben?“
    „Dass dein Vater das Tau durchgeschlagen und uns damit in den sicheren Tod geschickt hat, weil wir für ihn zur Last geworden waren.“
    „Nein! Woher willst du das überhaupt wissen?“
    „Weil ich mich an jedes Wort erinnere, das in dieser Nacht gesprochen wurde. Meine Mutter fing an, Forderungen zu stellen, und er hatte damals herausgefunden, wer und was ich war. Wir hatten das Pfarrhaus beinahe erreicht, als er das Seil mit der Axt durchtrennte. Nur wenige Meter, und wir wären in Sicherheit gewesen. Wir alle! Dein Vater hat meine Mutter umgebracht. Er hat seine eigene Tochter und das ungeborene Kind ermordet. Und er hat versucht, mich zu töten!“
    Sie wollte seine Behauptungen widerlegen, doch sie konnte es nicht. All die Sätze in Luciens Briefen ergaben endlich einen Sinn; und die Tatsache, dass er sie verfasst hatte, war Beweis genug.
    „Aber was hatte mein Großvater mit alldem zu tun?“ Kaum hatte sie die Frage ausgesprochen, wurde ihr die Antwort klar. Antoine hatte Luciens Liebesnest irgendwie aufgestöbert und darauf bestanden, dass Lucien die Beziehung beendete oder fortan mit den Konsequenzen lebte. Sie erinnerte sich daran, dass Antoine ganz unerwartet auf der Grand Isle aufgetaucht war – und dass er nur aufgrund dieser Reise im Sturm umgekommen war.
    Er wich von ihr zurück. „Ich weiß nichts über deinen Großvater. Doch hast du noch irgendwelche Zweifel? Du weißt ja, was für ein Mensch dein Vater war.“
    „Du warst jung. Wie kannst du dir so sicher sein?“
    „Als man mich im Sumpf fand, war ich älter, als du es jemals sein wirst. Und mittlerweile sind wir uns beide sicher, oder?“
    „Du hast all die Jahre Rachepläne geschmiedet, oder? Undals ich deinen Weg kreuzte, war dir mit einem Mal klar, wie du dich an ihm rächen konntest, nicht wahr?“
    „Genau.“
    Die Scham wurde von aufsteigendem Zorn verdrängt. „Du hast mein Leben zerstört! Ich hatte nicht das Geringste damit zu tun. Schließlich war ich ebenso ein Opfer von Lucien, und das wusstest du genau! Du hast selbst gesehen, wie er mich behandelt hat. Er hat mich nie geliebt. Hat es dir nicht gereicht, die Dowager zu zerstören?“
    „Nichts hätte je reichen können.“
    „Also hast du mich benutzt, mich belogen, mich geschwängert und mir dann mein Kind weggenommen – alles wegen der Sünden meines Vaters? Was für ein Mensch bist du eigentlich?“
    „Ein zufriedener.“
    Sie gab ihm eine Ohrfeige, doch das war nicht genug. Mit geballten Fäusten schlug sie auf seine Brust ein. Sie schluchzte. Es interessierte sie nicht, ob er sie im Gegenzug umbringen würde; sie wollte ihm nur einen kleinen Teil des Schmerzes beibringen, den er ihr bereitet hatte.
    Er packte ihre Hände und hielt sie fest, woraufhin sie mit den Füßen nach ihm trat. „Bastard!“ Sie verschluckte sich beinahe an dem Wort. „Du Bastard!“
    „Vergiss den Rest nicht!“ Er schob sie von sich. „Vergiss nicht, was für eine Art Bastard ich bin! Mein Vater war der Sohn einer Sklavin, in dessen Adern auch das Blut ihres Herrn floss. Meine Mutter hat ihn geliebt, aber er wurde wegen seiner Abstammung ermordet. Und hier bin ich

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