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Bis zur letzten Luge

Bis zur letzten Luge

Titel: Bis zur letzten Luge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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nun – ihr gemeinsames Kind. Aufgewachsen wie ein Weißer, lebe ich wie ein Schwarzer und bin doch weder das eine noch das andere!“
    Sie hielt sich die Ohren zu, konnte ihn aber dennoch hören.
    „Behalte im Gedächtnis, was für eine Art Bastard ich bin!Die Art von Bastard, der du kein Gehör geschenkt hast, als ich dir alles erklären wollte. Ich habe dir dein Kind nicht weggenommen – du hast es mir gegeben! Und wenn ich unser Kind nicht aufgenommen hätte, dann hättest du es irgendeinem Fremden anvertraut! Du unterscheidest dich kein bisschen von Lucien. Du hast deine eigene Tochter geopfert, damit du ein leichteres Leben führen konntest!“
    „Ich bin überhaupt nicht wie mein Vater!“
    „Nein, du bist schlimmer. Lucien wusste genau, was für ein Mensch er war – es hat ihm bloß nichts ausgemacht. Du dagegen hältst dich für einen guten Menschen, dem furchtbares Unrecht angetan wurde. Aber denk mal ganz genau über dich nach. Zu welchem Schluss kommst du dann?“
    „Ich hatte mit den Sünden meines Vaters nichts zu tun. Unsere Tochter ebenso wenig. Und trotzdem hast du uns beide zerstört!“
    „Du hast dich selbst zerstört. Du hast dein Kind weggegeben, hast ein Monster geheiratet – und warum?“ Er lachte, und es klang schrill und gequält. „Weil du Angst davor hattest, dass dein Blut befleckt werden könnte.“
    Sie sah ihm seine Qualen an, seinen verletzten Stolz, seine Wut. In ihrem Innern kämpfte die Scham mit dem Wunsch, alles abzustreiten. „Nein! Du hast mich nie geliebt. Du hast mich für deinen Racheplan benutzt! Deshalb habe ich dich gehasst! Deshalb konnte ich Nicolette nicht behalten! Ich konnte es nicht ertragen, bei jedem Blick in ihr Gesicht nur dich zu sehen.“
    Er starrte sie an. „Du lügst, und du hast unrecht. Ich habe dich geliebt.“
    All die Grundpfeiler, auf denen sie ihr Leben aufgebaut hatte, schienen in sich zusammenzustürzen. „Nein.“
    „Nicht von Anfang an. Ich hatte längst vergessen, wie man liebt. Aber nach und nach ist meine Liebe zu dir gewachsen. Ich wollte Lucien in dir sehen und konnte nichts von ihm indir entdecken. Ich habe mir eingeredet, du würdest mich hassen, wenn du herausfinden würdest, weshalb ich in dein Leben getreten bin. Aber ich habe einfach nicht auf meine eigenen Warnungen gehört. Und irgendwann habe ich geglaubt, ich könnte alles haben: Rache, Liebe …“ Er zuckte mit den Schultern. „Als du mir von deiner Schwangerschaft erzählt hast, wollte ich mit dir und unserem Kind fortgehen und ein neues Leben beginnen.“
    „Du hast die Dowager zerstört“, erwiderte Aurore mit zitternder Stimme.
    „Wie gesagt: Ich wollte alles auf einmal.“
    „Und was hast du gedacht, als du zugesehen hast, wie das Schiff meines Vaters in Flammen aufging? Was hast du gedacht, als er zu deinen Füßen auf dem Boden lag? Fühlte es sich in den wenigen Minuten so an, als hättest du alles auf einmal bekommen?“
    „Ja.“
    „Nein.“ Sie näherte sich ihm und sah ihm in die Augen. Sein Blick war fest, doch trotzdem konnte er seine wahren Gefühle vor ihr nicht verbergen. „Nein, es fühlte sich nicht so an. Du hast genau gewusst, dass du in dem Moment alles verloren hattest, oder?“ Als er sich umdrehen wollte, griff sie nach seinem Arm. „Dir war klar, dass du so wie er geworden warst. Und dir war klar, dass du mich nie bekommen würdest.“
    Seine Züge wurden starr. „Nein, ich wusste, dass ich dich nie bekommen würde, wenn Lucien dir verraten würde, was ich wirklich war. Ich habe das Grauen in deinem Blick gesehen, und da war mir klar, dass es keine Hoffnung gab. Ich hätte nichts sagen können, denn kein Geständnis der Welt, keine Bitte um Vergebung hätte deine Meinung ändern können. Ich war gebrandmarkt durch das Erbe meines Vaters, und dasselbe galt für unser Kind.“
    Sie wollte es leugnen, wollte ihm erzählen, dass es seineTaten waren, die sie mit Grauen erfüllt hatten, nicht seine Abstammung. Aber sie konnte es nicht tun, denn es stimmte nicht ganz.
    Zehn Jahre lang hatte sich der Hass in ihr aufgestaut. Nun verflog er, und es war, als hätte es ihn nie gegeben. Stattdessen war sie aufgewühlt. Unterschiedlichste Gefühle stiegen gleichzeitig in ihr auf. Bilder des Mannes, den sie einmal mehr geliebt hatte als alles andere, tauchten vor ihrem inneren Auge auf.
    „Wie hat es nur so weit kommen können?“, flüsterte sie. „Sind wir genauso hilflos wie die Leute in dem Sturm damals? Können wir nicht selbst über

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