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Bis zur letzten Luge

Bis zur letzten Luge

Titel: Bis zur letzten Luge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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Was, wenn sie auch in einem abgeschlossenen Krankenhauszimmer endete und unentwegt die Namen der Babys wiederholte, die sie nicht hatte austragen können?
    „Meinst du denn, ich würde aus Liebe heiraten, Ro-Ro?“, entgegnete Ti’Boo. „Ich gehe die Ehe mit Jules ein, um mich um seine Kinder zu kümmern und eigene Kinder zu bekommen. Ich heirate ihn, um ein eigenes Zuhause zu haben.“
    „Du heiratest ihn, um einen Mann zu haben, der dir das Bett wärmt“, kicherte Minette. „Und weil er dich zum Lachen bringt.“
    „Du bist zu jung, um über solche Dinge zu sprechen!“ „Liebst du ihn, Ti’Boo?“, wollte Aurore wissen.
    „Es würde mir nichts ausmachen, mit ihm alt zu werden.“ Minette rollte mit den Augen. „Er wird vor dir alt sein.“ Ti’Boo sprang auf und jagte ihre Schwester durchs Zimmer. „Ich werde alt, wenn ich hier sitze und deinem Geplapper zuhören muss. Genug jetzt!“
    Im Laufe des Tages hatte Aurore nicht viel Zeit, um über ihre Unterhaltung nachzudenken. Den Rest des Vormittags verbrachte sie auf der Veranda und half bei den letzten Handgriffen an den traditionellen Papierblüten für die Kirche. Am frühen Nachmittag kümmerte Aurore sich um Ti’Boos Haare.
    Nach ausgiebiger Beratung untereinander war entschieden worden, dass sie die Aufgabe übernehmen sollte. Man war der Meinung, dass nur Ro-Ro mit ihrem Wissen über die aktuellste Mode und ihrem guten Geschmack dafür geeignet war. Schließlich sollte Ti’Boo am Ende so hübsch aussehen wie eine Porzellanpuppe.
    Während Ti’Boo also auf einem Stuhl vor ihr saß, bürstete Aurore die glänzenden Wellen, die von der Wäsche mit Regenwasser am Abend zuvor ganz seidig und weich waren. Sie teilte die Haare in der Mitte und schob sie ein bisschen nach vorn, bevor sie sie auf dem Scheitel zusammennahm und zu einem Knoten drehte. Behutsam zog sie einige kleine Strähnen aus den Seiten und wickelte sie um die Finger, damit sie sich perfekt lockten.
    „Jules ist ein guter Mensch“, sagte Ti’Boo, als wäre die Unterhaltung, die sie am Morgen geführt hatten, niemals unterbrochen worden. „Ich möchte eigene Kinder, und seine Kinder habe ich bereits ins Herz geschlossen.“
    „Sie haben großes Glück, dich als ihre maman zu haben.“ „Willst du einmal Kinder haben, Ro-Ro?“
    Aurore wünschte sich Kinder. Doch sie fürchtete, dass sie die Möglichkeiten kannte, die ihr zur Verfügung standen: eine lieblose Ehe und über alle Maßen geliebte Kinder oder keine Ehe und keine Kinder. Sie sagte Ti’Boo etwas, das sie noch niemandem je erzählt hatte. „Ich weiß es nicht, aber wenn ich Kinder haben sollte, werde ich wie deine Mutter sein und nicht wie meine. Ich werde mein Leben für sie geben. Ich werde nichts zwischen uns kommen lassen, weder Krankheit noch Unglück. Nichts. Niemals.“
    Ti’Boo nahm Aurores Hand und legte sie an ihre Wange. „Du wirst eine gute Mutter sein.“
    Die Nerven aller waren bereits zum Zerreißen gespannt, als Clothilde ins Zimmer kam, um Ti’Boo zu sagen, dass es an der Zeit sei, sich anzukleiden. Clothilde weinte, und wieschon so viele Cajun-Mütter vor ihr drohte sie, nicht an der Hochzeit teilzunehmen, weil es zu traurig sei, dabei zusehen zu müssen. Aurore fragte sich, ob die Mütter traurig waren, weil sie ihre Töchter verloren oder weil sie wussten, was sie im Eheleben erwartete.
    Clothilde drohte also, doch am Ende zog sie ihr bestes Kleid an und stieg in den Pferdewagen. Ti’Boo, die in ihrem Kleid mit dem langen Schleier strahlte, saß neben ihren Eltern. Gemeinsam führten sie die Prozession, die folgte, auf dem langen Weg zur Kirche an. Aurore, in hellgrünem Batist und einem dezent mit Federn geschmückten Hut, wurde von einer Tante und einem Onkel begleitet.
    Sanfter Sonnenschein erhellte die kleine Kirche. Trotz der Tradition, dass echte Blumen ein Zeichen von Eitelkeit waren, war die Kapelle nicht nur mit Papierblüten, sondern auch mit echten Blüten aus den Gärten der Familie geschmückt worden. Ti’Boo schritt den Mittelgang entlang. Die Menschen, die sie liebten, lächelten und weinten, und auch Aurore vergoss während der Zeremonie einige Tränen der Rührung.
    Nachdem jedoch die letzten Worte gesprochen waren, gab es keine Tränen mehr. Ti’Boo und ein etwas steif wirkender Jules, der in Schwarz gekleidet war, stiegen in den Pferdewagen, um den Zug nach Hause zu führen. Die Männer der Familien Boudreaux und Gilbeau, die sich ausgesprochen anständig verhalten hatten,

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