Bis zur letzten Luge
vor dir, vor dem, was du bist, fliehen. Weder du noch … Étienne.“
„Wir können es versuchen.“ Aurore nahm ihren Arm. „Bitte, lass uns ein paar Schritte gehen.“
„Jules wird mitkommen“, warnte Ti’Boo sie.
„Gut. Dann sind wir in Sicherheit.“
Arm in Arm spazierten sie am Wasser entlang, und Ti’Boo fragte Aurore nach ihren Plänen. „Ohne die Familie zu heiraten“, sagte sie. „Das muss sehr schmerzhaft sein.“
„Ich hatte nie eine Familie.“ Aurore drückte ihren Arm. „Du weißt das besser als jeder andere.“
„Und deine maman?“
„Sie erkennt mich nicht einmal mehr, und papa verbietetes mir, sie zu besuchen. Selbst die Schwestern, die sich um sie kümmern, sagen, dass sie am zufriedensten ist, wenn sie allein ist.“
„Arme Ro-Ro!“
„Nein, nicht mehr. Jetzt habe ich jemanden gefunden, der mich liebt, Ti’Boo.“ Sie breitete den freien Arm aus, als wollte sie die ganze Welt umarmen. „Du ahnst nicht, wie sich das nach all diesen Jahren anfühlt!“
Ti’Boo gab einen wohligen Laut von sich.
„Ich musste dich noch einmal treffen, bevor wir abreisen.
Ich weiß nicht, ob wir uns noch mal wiedersehen werden“, sagte Aurore. „Ich weiß, wie schwierig es war, hierherzukommen, und es bedeutet mir unendlich viel. Morgen wird mein Vater es wissen.“
„Er wird versuchen, dich zu finden.“
„Das glaube ich nicht. Er wird mich aus seinem Leben reißen.“
„Und dir nichts lassen.“
Dieser Gedanke versetzte Aurore kurz einen Stich. Ihr Vater hatte nie geglaubt, dass sie fähig wäre, sich um die Angelegenheiten von Gulf Coast zu kümmern. Dennoch hatte sie immer gehofft, eines Tages einen Platz in der Firma zu haben – egal, wie bescheiden er auch sein mochte. In der Stadt gab es schließlich auch andere Frauen, die arbeiteten. Eine Frau hatte zum Beispiel eine Tageszeitung geerbt und bis zu ihrem Tod geleitet. Es gab sogar Frauen, die am Fluss arbeiteten, einige als Kapitän von Flussdampfern, eine sogar als Lotse.
Aurore war nicht weniger begabt. Sie war genauso intelligent und unermüdlich wie jeder Mann und hatte sich gewünscht, ihrem Vater das eines Tages beweisen zu können. Nachdem die Dowager, die Huldigung von Lucien Le Danois an die Zukunft, nun fertig war und am Anlegeplatz von Gulf Coast lag, war es ein Traum, der nur schwer aufzugeben war.
„Ich brauche Gulf Coast nicht.“ Es laut auszusprechengab ihr Mut. „Étienne und ich werden uns ein gemeinsames Leben aufbauen. Vielleicht haben wir eines Tages unsere eigene Reederei.“
„Wie gut kennst du ihn?“
„Wie gut kanntest du Jules?“
„Aber andere kannten Jules. Meine Familie kennt seine Familie schon seit Ewigkeiten, wir sind sogar ganz entfernt verwandt. Jules war kein Unbekannter.“
„Und du kennst Étienne, Ti’Boo. Gibt es irgendetwas, das dir Sorgen bereiten könnte?“ Aurore wartete auf die naheliegende Antwort. Als ihre Freundin jedoch schwieg, runzelte sie die Stirn und blieb stehen. In der Ferne konnte sie eine Band spielen hören. Außerdem erklang das Donnern von Feuerwerkskörpern oder Kanonenkugeln. Die Parade hatte begonnen. „Ti’Boo?“
„Du weißt ja, wie er zu Faustin und Zelma Terrebonne kam … Ein Mann von der Chénière Caminada hat ihn identifiziert.“ Ti’Boo bekreuzigte sich, als sie den Namen sagte.
„Ich weiß.“
„Man sagt, dass der Mann seit dem Sturm das Leben eines Einsiedlers führt. Il n’a pas tout.“ Sie berührte ihren Kopf, um deutlich zu machen, dass der Mann verrückt war. „Einige Leute fragen sich, ob er die Wahrheit gesagt hat.“
„Worüber, Ti’Boo? Was willst du mir sagen?“
Ti’Boo wandte den Blick ab. „Einige Leute fragen sich, ob Étienne … ob Étienne ein Mischling sein könnte.“
Aurore starrte sie an.
„Meine maman hat mir die Geschichte nach meiner Hochzeit erzählt. Sie dachte, dass es vorher nicht für meine Ohren bestimmt sei. Nachdem Étienne einige Zeit bei ihm gelebt hatte, wurde Faustin misstrauisch. Er wurde verbittert und schweigsam. Und er fing an zu trinken. Zelma hätte niemals zugelassen, Étienne in ein Waisenhaus zu schicken.“
„Aber warum? Was für einen Grund hatte er für eine sofurchtbare Vermutung?“
„Nicht mehr als Étiennes Gesicht.“
Aurore schloss die Augen und sah das Gesicht ihres Geliebten vor sich, das Gesicht, das sie in ihren Träumen besuchte. „Nein.“ Sie schlug die Augen auf. „Nein! Wenn Étienne farbiges Blut in sich hätte, wäre mir das aufgefallen! Ich
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