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Bisduvergisst

Bisduvergisst

Titel: Bisduvergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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Gegenteil, er schätzte beinahe, dass überhaupt kein Zusammenhang zwischen beidem bestand. Warum auch immer Julika eine CD mit sich herumgetragen hatte, während sie als Spielfrau kostümiert durch Landshut spaziert war … und das, wo die Landshuter mit Argusaugen alle Stilbrüche zu entdecken trachteten und ahndeten. Ein Piercing, ein Handy, eine vergessene Armbanduhr am Handgelenk … Und dann eine CD, gut, im Beutel am Gürtel, aber was würde eine Frau im Beutel am Gürtel tragen? Kea könnte ihm da wohl eine Antwort geben. Kea. Wenn er sich endlich aufraffte, sie anzurufen und nach dem Mann zu fragen, mit dem sie an der Isar gesessen hatte. Drei Japaner kamen durch die Passage und fotografierten den Lichthof. Er fragte sich, was daran es wert war, als Foto festgehalten zu werden.
    Für Sekunden schloss Nero die Augen, dann nahm er die Gabel und aß sein Curry in aller Ruhe auf.

31
    Wir besuchten Traudl Niebergall im Altenheim. Ein Bau aus Plastik, wie mir schien, ähnlich einer McDonald’s-Burgerbox, sonnendurchflutet, aber ohne jede individuelle Aussage, wenn man von diversen Zertifikaten zur Qualitätssicherung der Pflege absah, die im Eingangsbereich an einer Pinnwand hafteten.
    Traudl Niebergall, die Schwester des borstigen Gustav Kirchler, betrachtete uns neugierig.
    »Hier passiert nicht viel«, sagte sie lächelnd. »Wenn man noch bei Trost ist, so wie ich, wird einem schnell langweilig. Zum Basteln hatte ich noch nie Lust. Aber erklären Sie das mal der Ergotherapeutin.«
    Sie sah ihrem Bruder nicht ähnlich, war ein paar Jahre älter als er. Zu luftigen, blauen Hosen trug sie ein Shirt im Matrosenstil. Wäre sie nicht so aufgedunsen gewesen, hätte ich sie für gesund und vital gehalten.
    Nach der üblichen Vorstellungsrunde fragte Kreuzkamp: »Sagt Ihnen der Name Lisa Halbwachs etwas? Etwa der gleiche Jahrgang wie Ihr Bruder Gustav.«
    »Lisa Halbwachs?« Versonnen blinzelte Traudl Niebergall durch das Panoramafenster auf die weite Landschaft hinaus. Der Himmel bezog sich immer mehr, wir hörten vereinzeltes Donnergrollen.
    »Es gab eine Menge Lisas damals. In meiner Klasse waren mindestens zwei Elisabeths.«
    »Sie stammte aus München«, half ich aus. Wieder hatte ich meine Erbenermittlungsgeschichte aufgetischt. »Lisa Halbwachs war mit Irma Schwand befreundet.«
    Traudls Gesicht hellte sich auf. Ihre Lippen kräuselten sich. Feine Schweißperlen rannen ihr über die Stirn in die buschigen, weißen Augenbrauen.
    »Ach, die Lisa. Kein Wunder, dass Sie nach Lisa fragen. Alle fragen nach ihr.«
    »Warum?«, hakten Kreuzkamp und ich zeitgleich nach.
    »Sie bringen mich zum Lachen.« Traudl rückte ihre massige Gestalt auf dem Stuhl zurecht. »Ihnen pressiert’s ja mit Ihrer Lisa.« Sie sah mich aufmerksam an. »Ja, ein Erbe, das will nicht verloren gehen, nicht wahr? Aber die Lisa ist tot. Die ist in den letzten Kriegswochen umgekommen. Das war ganz tragisch, damals. Aber zu der Zeit waren wir alle am Ende und hatten keine Kraft, um irgendjemandem groß nachzuweinen. Zumal die Lisa, die Sie meinen, die Busenfreundin von der Irma, die war gar nicht aus Landshut und wir kannten die gar nicht so gut.«
    »Sie war ein paar Jahre jünger als Sie, oder, Frau Niebergall?«
    »Damals erschien sie mir als rechtes Baby. Ein Stadtkind, das sich vor jeder Spinne fürchtete. Ich habe kurz nach dem Krieg geheiratet. Ich hatte Glück. Ich war 23, als mein Verlobter zurückkam. Er war halb verhungert, aber er kam heim. Das war im September 1945. Manche von unseren damaligen Freunden, die kamen aus Russland zurück, zehn Jahre nach Kriegsende oder noch später, und die wenigsten von ihnen kannte man noch. Sie waren an all dem Schrecklichen irre geworden. Ziemlich viele kamen gar nicht wieder.« Sie kratzte sich am Kopf. Schuppen rieselten auf ihr Shirt. »Aber für Abwechslung war gesorgt. Die Amis waren ja bei uns. Das war auch eine spannende Zeit, wissen Sie?« Ihr feistes Gesicht sah glücklich aus. »Wir haben was erlebt, und die Irma, die hat ja dann ihren Amerikaner gekriegt!«
    Kreuzkamp räusperte sich. Ich streckte die Hand aus und berührte kurz seinen Arm. Ein Stromstoß schoss durch meinen Körper. Egal. Er musste auf alle Fälle die Klappe halten. Traudl Niebergall würde erzählen, was wir wissen wollten.
    »Zu uns kamen die Amerikaner, die haben uns aus dem Haus getrieben. Wir hatten ja damals nichts weiter. Haben in der Barackensiedlung gelebt. Bis der Gustav dann die Gerda geheiratet hatte. Die

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