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Bisduvergisst

Bisduvergisst

Titel: Bisduvergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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neben die Haustür.
    »Verstärkung anfordern!«, bellte Leitner. Ihm fiel ein, dass er für heute Abend über Beziehungen zwei Karten für den ›Nächtlichen Mummenschanz‹ besorgt hatte. Diese Veranstaltung war ihm die liebste der ganzen Landshuter Hochzeit. Elke hatte noch nie miterlebt, wie die Musiker und Tänzer in der Residenz die Geschichte vom Aufstieg und Fall des Emporkömmlings Herrn Asinus zum Besten gaben. Aber ein satirischer Roman aus dem 14. Jahrhundert passt nicht hierher, dachte Leitner und kniff die Augen zusammen. Yoo Lim, die hinter der dem Haus abgewandten Seite des Pick-ups hockte, hielt sich ihr Handy ans Ohr.

61
    Jemand kam mir nach. Ich hörte Zweige knacken. Rascheln, schnelle Schritte. Das empörte Kreischen von Amseln.
    Besonders sportlich war ich ja nicht. Aber egal. Meinem Alfa sagte man nach, dass er es bergab und mit der Polizei im Nacken auf satte 160 brachte. Mit einem bewaffneten Irren hinter mir konnte ich sogar bergauf ein gutes Tempo entwickeln.
    Keinen Gedanken an Kreuzkamp verschwenden! Alle Ressourcen einsetzen, um das eigene Leben zu retten. Wieso hatten sie mich in Ägypten wieder zusammengeflickt, wenn ich jetzt von der Kugel eines Wahnsinnigen getroffen wurde? Wie würde sich das anfühlen, erschossen zu werden? Ging das schnell? Und wie war das mit den Schmerzen? Schmerz ist Leben. Wenn du nach der Operation aufwachst und Schmerzen hast, dann kannst du nicht tot sein. Ich will leben, verdammt, ich habe nie gewusst, wie gern ich lebe, erst hier, in diesem blöden Wald, an dem Hang, wo meine Sneakers kaum Halt finden, wo ich abrutsche, meine Hände nach jedem Grashalm greifen, um auf den Füßen zu bleiben, weiß ich, dass ich das Leben liebe und Nero und …
    Dieser Verrückte schoss auf mich!
    Ich drehte mich um, nur für eine Sekunde. Sah einen gedrungenen, muskulösen Typen mit dunkelblondem Haar und einem Bart, wie Nero ihn trug, mir auf den Fersen. Er hielt eine Pistole in der Hand, an einem wild schlenkernden Arm, der damit beschäftigt war, seinen Besitzer in der Balance zu halten.
    Der Hang endete vor mir. Der Kamm zog sich in einer geraden Linie nach links und rechts. Ich könnte auf der Gegenseite hinunterrennen, dann wäre ich schneller, aber der Typ auch. Entscheide dich Kea, los! Ad-hoc-Entscheidungen retten Leben. Langes Grübeln hat noch keinem geholfen. Die Evolution lebt von der Mutation, und die Mutation ist eine einmalige, kuriose, spontan getroffene Entscheidung der Natur.
    Mein Herz raste, rammte seine blutige Faust von innen gegen meinen Brustkorb.
    Ich lief auf dem Grat weiter. Nach rechts. Warum auch immer.

62
    Nero hörte jemanden aus dem Haus stürmen. Auf der ihm abgewandten Seite.
    »Keller, verflucht!« Leitner rannte geduckt zu ihm hinüber. »Die Verstärkung ist unterwegs. Machen Sie nichts Unüberlegtes.«
    »Sichern Sie mich?«
    »Sie haben einen an der Mütze.«
    »Nein. Ich will da rein.« Neros Blick hielt den seines Kollegen für Sekunden fest. Dann liefen beide los, an der Frontseite des Hauses entlang. Nero nach rechts, Leitner nach links.
    Kea. Er sah ihren wiegenden Gang vor sich, das schwarze Haar. Das freche Lachen. Kackfrech, manchmal. Ich liebe sie.
    Sie trafen sich auf der Gegenseite. Leitner stand an die Wand gepresst vor dem Kellereingang. Nero sah das zerschossene Fenster und die Spuren von Füßen, die über den morastigen Boden in den Wald führten. Er bückte sich und huschte an dem Kellerfenster vorbei. Kurz meinte er, ein Stöhnen gehört zu haben. Ruf sie nicht. Ruf sie nicht. Wir wissen nicht, wer noch dort ist. Nero drehte sich um, bewegte nur die Lippen: »Leitner! Da drin ist jemand!«
    Leitner nickte.
    Gemeinsam gingen sie die Stufen hinunter, durch die offenstehende Kellertür.
    In der Düsternis konnte Nero kaum etwas erkennen. Er spürte die bedrückende Enge des Raumes, die niedrige Decke dicht über seinem Kopf. Leitner stand ihm gegenüber. Sie warteten ein paar Sekunden, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. An Leitners besorgter Miene erkannte Nero sofort, dass der Kollege roch, was ihm längst in der Nase stand: Der Geruch des Todes.
    »Dieses Verlies ist unterteilt in lauter kleine Kammern«, wisperte Nero. »Das wird gefährlich.«
    »Sie wollten ja nicht warten.«
    Er konnte nicht warten. »Ich gehe nach links«, bestimmte Nero.
    »Roger.«
    Nero achtete auf seinen Atem. Er hatte gelernt, auch in brenzligen Situationen, wenn er meinte, jeder Atemzug sei zu hören, genug Luft in

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