Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
zugeschworen, zu schweigen. Wahrscheinlich schrieb die Prinzessin ihrem Gatten nur, Bismarck habe ihn für eine Konterrevolution gewinnen wollen. Zwei Vertraute des Prinzen, Major Natzmer und Major Orlich, hätten aus dessen früherem Briefwechsel ziemlich verschiedenes aussagen können. Die Briefe gar, die er und sein Bruder, der damalige Kronprinz, während der Befreiungskriege austauschten, atmeten beiderseits so knabenhafte Unreife und prinzliche Arroganz, daß der Psychologe sie mit dem späteren geistvollen König und dem ernst-nachdenklichen Prinzen Wilhelm kaum in Einklang bringen kann. An Natzmer schrieb er früher: Dazu habe man die Revolution in Napoleon niedergeworfen, damit Preußen heut ein Jakobinerstaat werde? An Orlich aber beichtete er nach einem Besuch in Petersburg seinen Widerwillen vor russischer Autokratie und seine Vorliebe für englische Verfassung. Als eine Deputation von Königsberger Studenten, unter denen sich die späteren Schriftsteller Schweichel und Gottschall befanden, sich gegen den Vorüberfahrenden unehrerbietig benahm, brach er in zornige Verwünschung aus: »So ist dies Volk. Tag und Nacht plagt man sich für das Staatswohl, überhäuft die Bildungsstätten mit Wohltaten, und das ist der Dank.« Doch sein vornehmes, wohlwollendes Gemüt krankte nicht lange an Verbitterung, mit männlicher Festigkeit hielt er an überzeugter Verfassungstreue fest.
    Schon wenige Tage später erging nach Schönhausen eine Einladung aus Schloß Babelsberg, der anmutigen Residenz des fürstlichen Paares. »Erzählen Sie mir, bitte, was Sie in den traurigen Märztagen erlebten!«
    Das tat Otto mit vieler Bitterkeit. Er rezitierte sogar jenes fast meuterische Lied, worin der tödlich gekränkte Preußenstolz der Truppen sich Luft machte. Der Prinz bebte am ganzen Leibe vor Erregung und schluchzte plötzlich laut und heftig auf, wie man von ihm so wenig wie von dem hünenhaften Schönhauser hätte erwarten sollen. Wenn starke Männer weinen, so regnet es eines Tages Blut, blutige Tränen sind ein ganz besonderer Saft.
    *

Die Prinzessin bekundete ihm auch bei später nachfolgenden Einladungen eine gnädige Herablassung, indem sie ihm lang und breit ihre liberalen Regierungsabsichten auseinandersetzte. Sie tat dies mit vieler Zungengewandtheit und in flüssiger, gewählter Sprache, wie es ihrer hohen Bildung wohl anstand. Nachdem er nie zu Worte kam, entließ sie ihn huldvoll: »Es freut mich, Ihren Rat gehört zu haben.« Als Otto im abendlichen Dunkel zur Heimfahrt den Wagen bestieg, begrüßte ihn der jugendliche Prinz Friedrich, ein hochaufgeschossener blonder Jüngling von noch knabenhaftem Aussehen, mit besonderer Freundlichkeit und stummem Händedruck. Er gab gewissermaßen pantomimisch zu verstehen, daß Mama es nicht gern sehen würde, wenn er bei Licht seine Übereinstimmung mit dem Hyperroyalisten offenbare. –
    Aus der Spenerschen Zeitung konnte man bald Einzelheiten über den Aufstand vom 15. Juni erfahren, wo Volkshaufen das Zeughaus stürmten und nach Herzenslust plünderten. Dies brach dem Ministerium Camphausen das Genick.
    »Ach du lieber Gott!« wehklagte Gerlach, der seinen Freund besuchte. »David Hansemann Premierminister! Ein liberaler Jude mehr oder weniger! Der verrückte Auerswald, der schwache Schwerin und der Schwefeler Rodbertus machen den Kohl auch nicht fett. Warum lachen Sie?«
    »Als der gute Schwerin mich fragte, was ich gegen ihn hätte, knurrte ich: ›daß Sie nicht bei Prag gefallen sind!‹ Er machte große Augen und nahm mir die historische Anspielung nicht übel.« Aber er wollte nicht mit der Sprache heraus, als ihn Gerlach ausfragte, wie er denn neulich in Potsdam den König gefunden habe.
    Er befand sich nämlich zufällig dort auf dem Rückweg von Babelsberg, als ein Leibjäger bei ihm im Gasthof erschien. »Seine Majestät haben von Ihrer Ankunft gehört und befehlen Sie zur Audienz.«
    »Vermelden Sie Seiner Majestät, daß ich untertänigst bedaure, dem Befehl nicht nachzukommen. Ich bin im Begriff abzureisen, meine Frau befindet sich in besonderen Umständen und würde sich zu Tode ängstigen, wenn ich länger fortbliebe als verabredet.«
    Doch noch ehe er zum Bahnhof eilte, tauchte kein Geringerer auf als der Flügeladjutant Edwin v. Manteuffel. Dieser stand nebst seinem Kollegen, dem Flügeladjutanten Graf Oriola, beim König in Gunst, ebenso beim Thronerben. Er teilte Bismarcks politische Ansichten, soweit sie ihm eben bekannt waren, besaß natürliche

Weitere Kostenlose Bücher