Bismarck 01
Begabung für Diplomatisches und Militärisches, feine Bildung und schlichte, angenehme Umgangsformen. Sein ziemlich unschönes Gesicht belebten ein Paar kluge, blaue Augen. Leutselig und gewinnend im Verkehr mit Untergebenen, verband er mit lebhaftem Ehrgeiz doch eine vornehme Bescheidenheit gegenüber höheren Talenten, und sein Privatcharakter war tadellos. Erneigte zur standesgemäßen protestantischen Bibelfrömmigkeit des pommerschen Landadels und glaubte auch hierin sich dem Schönhauser verwandt.
»Mein verehrtester Herr und Freund, Sie entwischen mir nicht. Seine Majestät laden Sie zur Tafel. Da Ihre Frau Gemahlin, der ich meinen ehrerbietigen Handkuß zu übermitteln bitte, der Schonung bedarf, so wird ein königlicher Feldjäger sie über Ihr Verbleiben beruhigen.«
»Einer solchen Huld muß man natürlich gehorchen«, versetzte Otto halb ärgerlich.
»Sie frondieren?« Manteuffel dämpfte die Stimme. »Begreiflich bei Ihrer guten königstreuen Gesinnung. Doch der König bleibt der König, und seien Sie sicher, der allerhöchste Herr billigt im Grunde Ihre Haltung. Übrigens werden Sie nur die Damen und Herren vom Hofe finden, sowie den Minister Camphausen.«
»Gott sei mir gnädig! Der haßt mich wie die Sünde.« –
Nach der Tafel nahm der Monarch ihn beim Arm und führte ihn auf die Terrasse von Sanssouci hinaus, da ein vertrauliches Gespräch bei Tische sich nicht einfädeln konnte. »Wie geht's bei Ihnen?«
»Schlecht«, erwiderte Otto gereizt und schroff.
»Ich denke, die Stimmung ist gut bei Ihnen.«
»Sie war es, bis uns königliche Behörden die Revolution einimpften und das königliche Siegel darauf drückten. Uns fehlt Vertrauen zum Beistand des Königs.« Das hieß nach höfischen Begriffen sacksiedegrob sprechen. Es trat denn auch eine vornehme Frauengestalt hinter einem Gebüsch hervor, wo sie sich wohl des Lauschens beflissen hatte; die Königin fragte zornig:
»Wie dürfen Sie so zu Ihrem König reden?«
Doch der König winkte gutmütig ab. »Laß mich nur, Elise, ich werde schon allein mit ihm fertig. – Was werfen Sie mir denn vor?«
»Die Räumung Berlins«, versetzte Otto in straffer Haltung.
»Die habe ich nicht gewollt«, versicherte der Monarch hastig, und die Königin fiel ein: »Daran ist der König ganz unschuldig.« Echt weiblich fügte sie hinzu: »Er hatte seit drei Tagen nicht geschlafen.«
»Ein König muß schlafen können«, parierte Otto mit ungemilderter Strenge.
Der Hohenzoller ließ sich aber von seinem Lehnsmann nicht irre machen. »Was hilft's Ihnen, ob ich wie ein Esel gehandelt hätte? Vorwürfe richten einen Thron nicht auf, der umkippte, tätige Hingebung tut not, nicht kritischer Verdruß. Sie wollen die liberalen Reformen nicht mitmachen, die ich gutheiße? Auch nicht als geschworener Vasall der Krone?« Dies berührte in dem Widerspenstigen die Note feudaler Ritterlichkeit, und die gütige Nachsicht des Monarchen stimmte ihn weich. Er beugte halb das Knie, sein Ausdruck veränderte sich, er wechselte die Farbe und sagte fest:»Ich unterwerfe mich dem Willen meines Herrn. Ich bin des Königs Mann im Leben und im Tod.«
Bewegt reichte ihm dieser die Hand. »Ich wußte, daß ich auf Sie zählen konnte. Sehen Sie, ich muß den Boden des formalen Rechts haben, sonst stehe ich auf schwachen Füßen.«
»Das Tagelöhnerparlament, wie unsere Kreise es nennen, verwischte den Rechtsbegriff, hier gilt nur die Machtfrage. Und Macht geht vor Recht.«
»Oh! oh! Das sind gefährliche Grundsätze, die ich mißbillige. Damit wäre auch jede Revolution gerechtfertigt. Wir müssen auch an französische Einmischung denken, die deutschen Jakobiner würden mit ihr gemeinsame Sache machen. Und ferner – Radowitz meint, jetzt sei die Hauptsache –, doch davon sprechen wir mal später, denn ich hoffe Sie noch oft zu sehen.«
Der entwaffnete Frondeur dachte: der schwarzrotgoldene Radowitz redet ihm vor, man dürfe die Nationalstimmung und das Frankfurter Parlament nicht vor den Kopf stoßen und Preußen zuerst die leitende Oberherrschaft in Deutschland sichern. Dann werde sich alles übrige von selber finden. Als ob auf solche Schnurrpfeiferei Verlaß wäre. – –
»Sind Ihre Züge schärfer und spitzer geworden?« Präsident Gerlach maß den jüngeren Freund mit prüfendem Blick. »Sogar Ihre Zähne treten stärker hervor. Ihre sonst so leichte, ungezwungene Haltung hat etwas Starres, und Sie sind bleich.«
»Wie sollte mir nicht beklommen zumute sein! Ich
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