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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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haben's leicht, große Politik zu machen! Überhaupt, alles Glück und Zufall äußerer Verhältnisse. Ist das eine Kunst? Auch dein Richelieu kannte keine Schwierigkeiten, wie wir in unserm armen Deutschland. Die großen Vasallen waren schon gezähmt genug, bei uns gibt's lauter souveräne Krähwinkel.«
    »Da sagst du ein weises Wort.« Coffin lehnte sich im Stuhlzurück. »Wir haben viel Deutsche in Amerika, und da erfährt man manches, aber seit ich die Dinge in der Nähe sah, verwett' ich meinen Kopf, daß es mit der sogenannten deutschen Einheit noch gute Wege hat. Darüber lacht man sich eins, wie euer neuer Musengott Heine.« »Heine ist ein gehässiger Judenjunge«, fuhr Otto auf. »Hier in Göttingen kennt man seine schnöde Visage. Der Turnvater Maaßmann hat ihn auf den Fuß getreten, und er hat gekniffen.«
    »Knille von Hannover denkt aber anders, er sei ein famoser Hecht gewesen. Und scheußlich geistreich ist er«, trug King sein Scherflein bei. »Du hast vermutlich gar nichts von ihm gelesen. Aber die Verse sind süß, und die Harzreise ist himmlisch. Du immer mit deinen Korpsbegriffen! Denn ich selber bin ein solcher Ritter von dem freien Geist, singt der Mann mit Recht, und wär' er zehnmal ein Jude, was mich nicht anficht.«
    »Nu, mich auch nicht«, beeilte sich Otto festzustellen. »Wir stammen alle von Adam her, und ich mache keinem einen Vorwurf aus seinen Eltern. Nihil humanum alienum usw., bitte gehorsamst um Verzeihung. Humanitas ist ein lateinisches Wort, das ich behalten habe, und ob der Heine bei einem Rekontre, wie wir uns in unserm geliebten Deutsch ausdrücken, in Verschiß kam, geht mich nichts an bei seinen Werken. Aber dieser »Alte Herr« der Studentenschaft Göttingen ist wirklich kein Deutscher, er entblößt wie die Fräulein Loth, die Kallen im ollen Testament, die Scham des Papa. Wer so sein eigenes Nest beschmutzt und uns Deutsche hänselt und allem Franzosenkram hofiert, ist mir ein Greuel.«
    »Du übertreibst wieder«, berichtete Motley. »Der Mann ist voll echt-deutscher Poesie, seine Verse sind verdammt gutes Deutsch, auch in den Gefühlen. Also ist er ein guter Deutscher bis in die Fingerspitzen.«
    »Ja, leider! Sein sentimentales weinerliches Liebesgesäusel und seine verrückte Ausländerei sind deutsch genug.« Otto sah finster vor sich nieder. »›Ich weiß nicht, was soll es bedeuten‹ ... das ist ja gerade das graue Elend. Wissen sollt ihr, verdammte Bengels, was es bedeuten soll. ›Daß ich so traurig bin‹ ... meinethalben, seid traurig über all die Erbärmlichkeit, aber dann gebt euch einen Ruck und steigt auf die Mensur! ›Ich lache ob den abgeschmackten Laffen‹ ... das tu' ich auch, aber dann renn' ich nicht mit Bauchgrimmen herum und ächze: ›Ich wollt', er schösse mich tot.‹ Schieß lieber die anderen tot. ›Was will die einsame Träne?‹ Ja, was will sie denn? Das Flennen hilft zu nichts. ›Die Sonne hebt sich noch einmal leuchtend vom Boden empor und zeigt mir jene Stelle, wo ich das Liebste verlor.‹ Bei Gott, das ist ein Dichter, und die Nordseebilder sind groß. Aber wie kann ein rechter Kerl ein dummes Frauenzimmer – es soll die Kalle, seine Kusine sein – sein Liebstes nennen. Pfui Teufel,da gibt es ganz andere Heiligtümer, die ein deutscher Jüngling im Herzen trägt. Und so was verliert man nicht, dafür kämpft man bis zum letzten Atemzug. Und in den ›Bädern von Lucca‹, Moorbad von Prahlerei und Stinkerei, da sagt er, er sei ein ehrlicher Soldat im Befreiungskriege der Menschheit ... was geht ihn die Menschheit an, und was ist das für ein Befreiungskrieg mit dem Tambour Le Grand und Napoleon und der Marseillaise. Sein deutsches Vaterland soll man befreien, und die sonstige Menschheit kann mir den –! Ich weiß schon auch, wo mich der Schuh drückt. Das sind ganz andere Schmerzen als die des Herrn Heinrich Heine.« Und plötzlich und unvermittelt schlug er die Hände vors Gesicht, und ein Krampf schien ihn zu schütteln.
    Die anderen sahen sich an. »Na höre mal, wenn wir nicht alle wüßten, was du vertragen kannst, alter Junge, dann würd' ich denken, du hast den nassen Jammer«, sagte Coffin gedehnt. »Das sind ja wundersame Ergießungen.«
    »Was sind denn deine löblichen Herzensschmerzen?« erkundigte sich King. »Bisher hat dir das Essen sehr gut geschmeckt.«
    Aber Motley sagte mit prüfendem Blick: »Das Komische ist, daß du den Heine viel gründlicher gelesen hast, als wir. Wo nahmst du die Zeit

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