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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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her?«
    »Nu mach' keine faulen Geschichten, Bismarck!« hob Coffin wieder an. »Mein Name ist ja unheilverkündend, bedeutet Sarg. Aber tragisch sein ist zum Lachen. Du kannst doch nichts dafür, daß du nicht als American Citizen oder British Subject geboren bist. Die deutsche Einheit, wenn dir solche Chimäre das Herz bedrückt –«
    »Kreuzmillionendonnerwetter!« Otto schlug die Hände von den nassen Augen und klopfte mit beiden Fäusten auf den Tisch. »Nun ist's genug. Deinen Kopf wolltest du verwetten, jetzt proponier' ich eine Wette: Von heut ab in 20 Jahren ist Deutschland geeint, ich halte 25 Flaschen Champagner, und wer verliert, muß zum Gewinner übers Weltmeer kommen mit dem Champagner.«
    » Done! Es gilt! Topp!« Die Hände wurden kreuzweis übereinandergelegt. »Die anderen sind Zeugen.« –
    Als Motley nach Hause ging, dieser Jüngling, ernst wie ein Alter, der geborene Historiker, blieb er plötzlich auf der Straße stehen und murmelte hörbar: » That is the temper of genius! «
    *

Das wüste Leben hatte den Jüngling so angegriffen, daß er, auf der Reise nach Hause unterwegs in Braunschweig und Magdeburg lange bettlägerig mit bedenklichen Fiebererscheinungen, krank und mager in Schönhausen ankam, wo er sich auf dem väterlichen Gute noch wochenlang erholen mußte. Als es zur Aussprache über seine Schuldenlast kam, zog er den kürzeren. »Du bist ein Bruder Lüdrian!« tobte sein sonst so freundlicher Vater.»Bernhard bei den Gardedragonern kostet mir kein Fünftel von dir. Nee, Söhneken, so haben wir nich gewettet, dich reitet der Satan, aber auf mir reitest du nicht herum. Ich sperre dir den Kredit und werd' dich knapp halten.« Auch die gestrenge Mutter ließ ihn in ihrer kalten Art fühlen, daß seine Erscheinung ihr mißfiel: »Dein Samtrock ist lächerlich, dein Ton riecht nach Bierstube und anderen schlechten Häusern. Keine Vorschule zum Diplomaten!«
    »Will's gar nicht werden!« trumpfte er verdrießlich auf.
    »Schweig! Du weißt nicht, was du willst, doch ich weiß es. Wasch' dich von rohen Sitten rein, dafür ist eine Dosis Berlin gut.«
    Leider auch für anderes. Erneut wirtschaftete Otto so böse, daß Kayserlingk, der jetzt in Berlin studierte und mit ihm in gemeinsame Wohnung zog, grämlich nörgelte: »Du bist ein liederliches Tuch.« Das bezog sich nicht auf Erotica, für die Otto keine Anwandlung zeigte, sondern auf seine alte Liebste, die Flasche. Im übrigen bildete sich der Korpsier zum Dandy um, der sich mit schwungvollen Krawattenbinden die Zeit vertrieb, als wäre er der Stutzer Brummel der Londoner Byronzeit. Er machte Visiten, prunkte mit fließendem Französisch und teils geziertem, teils ungezogenem Kavaliersanstand, wovon er im ersten Rang des Opernhauses gedeihliche Proben gab und sich mit herausfordernder Grazie auf seinem Fauteuil lümmelte. Der Göttinger Peter, gleichfalls nach Berlin verpflanzt, um unersättlichen Wissensdurst zu stillen, verfolgte ihn mit liebevoller Anhänglichkeit, zäh wie eine Klette, unabschüttelbar wie ein Schatten.
    »O Petrus, der Übel größtes ist nicht die Schuld – ach, hätte Schiller dich gekannt! Die Furien sind zarte Jungfern gegen dich, sie bleiben einem nicht so feste auf den Hacken!«
    »Immer der treue alte Otto!« quittierte dankend der große Sprachforscher, der kein Deutsch verstand. »Wie herrlich schimpfst du erst auf Coleurbruder ›Freiheitsbaum‹!«
    »Auch dieser Knabe fängt an fürchterlich zu werden!« stöhnte Otto mißmutig. »Der schlanke Freiheitsbaum der Aristokratie steht hier im passendsten Treibhaustopf: Ihm fehlt zum Menschen alles, zum Kammerherrn nichts als ein Schloß vors Maul. Dreißig Vettern hat er hier, sie essen viel, sie säen nicht, der himmlische Vater nähret sie alle. Was leben sie? Sie zählen ihre Ahnen. O polizeiwidrige Ansammlung standesgemäßer Dummheit!«
    »So? Dewitz sagte schon, du wärst ein roter Demokrat«, schnüffelte Peter.
    »Bah! Ich bin gewiß aus einem edlen Haus, ich sehe blaß und unzufrieden aus.«
    »Leider!« bekräftigte Peter, der das Faustzitat nicht verstand. »Mein brüderliches Zureden, die treue Sorge um deine kränkliche Gesundheit –«
    »Ich bin unheilbar wie deine Gelahrtheit. Ne, mein guter Oller will mich Weihnachten visitieren. Er wird glauben, ichhungere mich tot aus Mangel an Subsistenzmitteln, ich werd' ihm kräftig einen anreißen, und er wird berappen.«
    So geschah es. Der herzensgute Bismarck der Ältere konnte sein weiches Herz

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