Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
zuträglich. Seine Munterkeit schwand so sichtlich, daß Motley sich erkundigte: »Was ist mit dir los? Seit Monaten bist du nie auch nur halbheiter gewesen. Selbst Peters unverwüstliche Dulderfähigkeit machte sich schon lange rar vor deiner galligen Bosheit.«
    »Freß' ich beißende Ratte mich durchs ranzige Speck seiner Geduld? Ich arbeite nicht auf Selbstmord hin, nimm also ein Schachspiel unter den Arm und ich stecke ein Pack Karten in die Tasche, auf daß wir seiner Unterhaltung entrinnen. Aber laß uns den armen Kerl in seiner Höhle aufsuchen, das ist eine hochherzige Mannestat!«
    »Na, gutmütig bleibst du wie immer«, lobte Motley beifällig. Doch mit dem Donnerworte ward ihnen aufgetan: Der, den ihr suchet, ist mit Kollegienheit in Professor Luchs' ästhetischer Vorlesung.
    »Ästhetisch ooch noch!« seufzte Otto elegisch. »Das Maß ist voll. Ich begehe im Leben keine gute Handlung mehr. Immerfällt man rein, haste nich gesehn, man sucht einen Ochsen und findet die Boa constrictor , die ihn schon verdaut. O mein prophetisches Gemüt, mein Peter! Daß einer lächeln kann und wieder lächeln und doch ästhetisch sein! Freund meiner Seele, fliehen wir die Lasterhöhle, in der ein Unhold wohnt. Und nimmermehr betret' ich diese Schwelle. Ästhetisch! Mir schwante ein Verbrechen. Wir haben mit dem Grauen zur Nacht gespeist ... und hier ist Lutter & Wagener, wo es einen guten Tropfen gibt. Hol' die Pest alle feigen Memmen! Und Falstaff war ein ehrenwerter Mann.«
    »Das sind wir alle, alle ehrenwert!« parodierte Motley. »Taugenichtse und kein Ende. Doch dein bizarrer Humor sprudelt umsonst über, verlorene Liebesmüh, ich kenne dich, Spiegelberg. Du selber bist ästhetisch bis in die Fingerspitzen und spielst den Prinz Heinz nur dir selber vor.«
    »Weh mir, ich bin durchschaut«, brach Otto trocken ab. »Mich verkuppeln an die dürre Vettel Ästhektik? Laß einen schlichten Christenmenschen in Frieden sterben! Ich komme dir die Blume und einen Ganzen. Probst!«
    Der Kusine Helene klagte er: »Meine Finger krümmen sich unter meiner allzu beweglichen Feder. Als Protokollführer die Untaten der Berliner ans Licht zu ziehen, winkt später als zweifelhaftes Vergnügen.«
    »Doch frönst du ungewohntem Fleiß und zeigst Ehrgeiz, dich vorwärtszubringen.« Sie musterte ihn mit wohlwollendem Spott. »Du hast so was Verinnerlichtes, bist du vielleicht verliebt?«
    »Gegen wen denn?« Er errötete wie ein Backfisch. »Du siehst mir gewiß nichts an, was so schnöden Verdacht rechtfertigt.«
    Sie verzog den Mund und dachte: man hat nicht umsonst eine bildhübsche Kusine, sitzt da der wunde Punkt? »Dazu schneidest du ein Gesicht, als hättest du Bauchgrimmen. Baldriantropfen gefällig?«
    »Das kommt davon,« Otto atmete erleichtert auf, so abzulenken, »daß mein Alter, der zum Wettrennen hier ist, mich zu drei Stunden Diner zwang. Das verträgt meine zarte Konstitution nicht.«
    »Habe dich man nich! O meine Nerven!«
    »Ach, Helene, mein klägliches Dasein! Der längste Titel und breiteste Orden entschädigen nicht, wenn die Brust einschrumpft geistig und körperlich. Wie gern vertauscht' ich Feder und Aktenmappe mit Pflug und Jagdtasche!«
    »Du kannst nicht ewig ein Bruder Studio bleiben. Was treibt denn dein fröhlicher Scharlach, von dem du so oft erzählst?«
    »Hat sich verlobt mit seiner Kusine Helene, erklärt sich von allem burschikosen Rest befreit. Ich unheiliger armer Teufel geb' ihm meinen väterlichen Segen. O die glückliche Dame, die ich einst wähle! Die beneid' ich unter allen Sterblichen.«
    »Die Affektiertheit steht dir patzig gut. Frauenhasser undjede Woche in eine andere verliebt. Kam ich auch schon an die Reihe?«
    »Dazu verehre ich dich zu sehr«, sagte er ernsthaft. »Bei mir traurigem Geschöpf ist keine Neigung von Dauer.«
    »Ei, ei, und bist berüchtigt wegen philosophischer Ruhe. Alle Bekannten beiderlei Geschlechts nennen dich den kaltblütigsten Verächter weiblicher Reize. Nur ich sehe auf deiner Denkerstirn was anderes geschrieben, doch ich verrate dich nicht.«
    »Hätt' ich doch so beneidenswert nichtssagende Züge wie der Herr v. Malortie aus Hannover!«
    »Der mit Kusine Lienchen kokettiert? Das läßt tief blicken! O du Zwiespalt der Natur, edler Herr v. Örindur.«
    »Dein unzarter Wink, fluchbeladene Seherin, schießt vorbei. Frauenzimmer wittern überall Herzfehler, auch bei den gesündesten Herzklappen.«
    Doch eines Winterabends erschien er bei Kessels in langer

Weitere Kostenlose Bücher